Archiv für den Monat: Mai 2013

Der Rechtsstreit um die gescheiterte Privatisierung des Aufbau-Verlages

 

„Ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande. Vor der kann man sich schützen, aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor denen kann sich kein Mensch hüten. Die sind ärger, als die größten Spitzbuben, die in der Welt sind.“Friedrich der Große über das Kammergericht

Noch niemals wurde eine Behörde der Bundesrepublik Deutschland von einem deutschen Gericht rechtskräftig zum Ersatz des Schadens eines privaten Klägers in zwei- oder gar dreistelliger Millionenhöhe verurteilt.

Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass die deutsche staatliche Verwaltung fehlerlos ist und folglich Schäden in dieser Höhe nicht auftreten oder dass deutsche Gerichte solche Fälle – natürlich erst nach gründlicher Prüfung – generell abweisen, weil sie das fiskalische Interesse höher schätzen als die Einhaltung des Rechts im Einzelfall.

 

Die Treuhandanstalt war zur Bewältigung ihrer Aufgaben, darunter die Privatisierung der volkseigenen Wirtschaft der DDR, mit außerordentlicher Machtfülle und weitreichenden rechtlichen Privilegien ausgestattet worden und darüber hinaus weitgehend der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Die führenden Mitarbeiter dieser innerhalb weniger Monate aus dem Boden gestampften Behörde waren offiziell von jeglicher persönlichen Haftung – selbst für grobe Fahrlässigkeit – freigestellt und benahmen sich auch so. Unter diesen Umständen erließen sie zahlreiche Verwaltungsakte ihrer Behörde und schlossen als Verkäufer mehr als 40.000 Privatisierungsverträge, die bisher fast alle einer juristischen Überprüfung standgehalten haben, denn die Berliner Gerichte haben trotz zahlreicher Prozesse kaum auch nur eine leichte Fahrlässigkeit gefunden, die zur Nichtigkeit des Vertrages geführt hätte. Bei jedem privaten Unternehmen als Verkäufer wäre ein solches Ergebnis nur einem Wunder zuzuschreiben.

Die Bundesregierung braucht für so was aber keine übernatürliche Macht. Ihr ganz gewöhnlicher exekutiver Machtapparat reicht für die Beeinflussung der zuständigen Richter in Berlin völlig aus. Nach der offiziellen Haftungsfreistellung für die Mitarbeiter der Treuhandanstalt organisierte die Exekutive insgeheim eine noch weitergehende, diesmal allerdings inoffizielle „Haftungsfreistellung“ für die Treuhandanstalt insgesamt. Die für solche Verfahren speziell zuständigen Spruchkörper der Berliner Justiz wurden wohl darauf eingeschworen, eventuelle Klagen gegen die Treuhandanstalt durch großzügige Auslegung der Beweiswürdigung und beliebige Dehnung der gesetzlichen Bestimmungen niederzuschlagen. Vor dem Hintergrund der Geschichte der Berliner Justiz ist es auch kein Wunder, dass die sich darauf einließen, denn die Erfüllung vermeintlich staatspolitischer Pflichten – für welches System auch immer – ist für manche Richter in Berlin immer wichtiger gewesen, als die Anwendung des Rechts ohne Ansehung der Person. Das Ansehen der weitaus überwiegenden Mehrheit der unbefangenen und unparteiischen Richter in Deutschland leidet darunter.

Dass die wirkliche Staatsräson nicht in der Verteidigung rechtswidriger fiskalischer oder politischer Interessen, sondern in der unparteiischen Durchsetzung des Rechts gegen und für jedermann besteht, ist aber nur charakterstarken Richtern begreiflich.

Welcher Geist noch – oder schon wieder – am Kammergericht umgeht, wird klar an der Bemerkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Grüter, der sich nach der mündlichen Verhandlung in der Sache Dempewolf gegen die BVS (270 U 8618/2000)  am 26.10.2000 auf dem Gang vor dem Gerichtssaal zu folgendem Satz herab ließ: „Herr Lunkewitz, wir wissen, dass Sie Recht haben, das kriegen Sie hier aber nicht.“

Vor den Berliner Gerichten war und ist daher – unabhängig von der Beweis- und Rechtslage – eine Klage gegen die Treuhandanstalt, die zum 1.1.1995 in „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ (BVS) umbenannt wurde, praktisch nicht zu gewinnen, wenn es um größere fiskalische Interessen geht.

Soweit es rechtlich zulässig ist, wurde und wird der weitere Rechtsstreit um die gescheiterte Privatisierung des Aufbau-Verlags in der Hoffnung, unbefangene Richter vorzufinden, vor den Gerichten in Frankfurt am Main geführt. Deren Rechtsprechung anerkannte 2008 die Eigentumsrechte des Kulturbunds und des Verlegers Bernd F. Lunkewitz am Aufbau-Verlag.

Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Rechtsprechung, nach der der Verkauf des Aufbau-Verlages durch die BVS nichtig war und dessen Vermögen nach wie vor dem Kulturbund e. V. gehörte. Daraufhin meldete die Aufbau-Verlagsgruppe GmbH, der damalige nur vermeintliche Rechtsträger des Aufbau-Verlages, des Verlages Rütten & Loening, des Gustav Kiepenheuer Verlages, der Sammlung Dieterich, des Audio Verlages und weiterer Beteiligungen am 30. Mai 2008 beim AG Charlottenburg Insolvenz an.

Schon im Oktober 2008 verkaufte der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Verlegers dessen Vermögen am Aufbau-Verlag mit allen Rechten im Wege einer übertragenden Sanierung an die neu gegründete Aufbau-Verlag GmbH & Co KG in Berlin. Damit war die Existenz dieser Verlage für die Zukunft unter neuer Führung gesichert und sie können sich seither ohne Rechtsunsicherheiten über ihr Vermögen –  insbesondere über die Verlagsrechte – dem Verlagsgeschäft widmen.

Am 16.10.2008 reichte, trotzt der Sonderbehandlung der BVS durch die Berliner Gerichte, die inzwischen als „Aufbau-Liquidationsgesellschaft i. L.“ firmierende insolvente Gesellschaft gegen die nach ihrer Ansicht für die Insolvenz verantwortliche „BVS“ beim Landgericht Berlin Klage ein.

Für Schadensersatzklagen gegen staatliche Institutionen der Bundesrepublik ist in Berlin seit Jahrzehnten die 9. Kammer des Landgerichts zuständig, bei der fast 80% der Prozesse gegen die BVS geführt wurden. Die Sonderzuständigkeit dieser gezielt mit „handverlesenen“ Richtern und Richterinnen besetzten 9. Kammer des Landgerichts Berlin in Staatshaftungssachen hat durch ihre fast tausend mündlichen Verhandlungen unter der Beteiligung der BVS, meist als Beklagte, eine extreme „Vertrautheit“ und die entsprechende enge Verbindung des Landgerichts – und nachfolgend auch es Kammergerichts – mit der gesamten Exekutive, gerade auch zu Behördenspitzen des  Bundes ergeben, die erkennbar entsprechend tiefe Spuren in deren Rechtsprechung hinterlassen hat. 

Die in dem Rechtsstreit zwischen der Aufbau-Liquidationsgesellschaft i. L. und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf dieser Website vollständig dokumentierten Schriftsätze und Urkunden und die von den Berliner Gerichten erlassenen Verfügungen und Urteile sind gewiss nicht einfach zu lesen, denn sie sind in der komplizierten juristischen Sprache formuliert und beschreiben sehr komplexe Vorgänge in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten. Wenn man sie aber zu lesen versteht, sprechen sie für sich selber und zeigen, dass die gescheiterte Privatisierung des Aufbau-Verlages nicht nur ein Skandal der vom Bundesfinanzminister geduldeten kriminellen Vereinigung in der Treuhandanstalt/BVS, sondern längst auch ein Justizskandal geworden ist.

Bernd F. Lunkewitz

p. s.

Gegen Verantwortliche der Deutschen Bank werden zur Zeit in dem Fall Kirch alle staatsanwaltschaftlichen Mittel angewandt, um sie für den vermuteten Prozessbetrug zur Verantwortung zu ziehen.

Ähnliche Vergehen – insbesondere Prozessbetrug und Urkundenfälschung – durch die für die Führung der zivilrechtlichen Verfahren der Treuhandanstalt wegen des Aufbau-Verlages heute verantwortlichen Beamten sind aber undenkbar. Kein Staatsanwalt der Bundesrepublik würde es wagen, gegen betrügerische staatliche Funktionsträger vorzugehen, egal welche Beweise für vorsätzlichen falschen Vortrag vor Gericht,  Betrug, Untreue und Urkundenfälschung auch vorhanden sind, solange sie dem – vermeintlichen – Interesse des Fiskus dienen. Selbst wenn es ein tollkühner Staatsanwalt es doch wage würde, käme umgehend die Weisung des Justizministers, das Verfahren einzustellen. Die Gier des Staates nach Geld,  egal aus welchen Quellen, schützt seine Diener zuverlässig vor Strafverfolgung. 

Bernd F. Lunkewitz