Archiv für den Monat: April 2014

Zusammenfassende Darstellung der gescheiterten Privatisierung

Zusammenfassende Darstellung der gescheiterten Privatisierung des Aufbau-Verlags (dieser Text wurde 2008 erstmals veröffentlicht).

Nachfolgend werden die wesentlichen Teile des Verwaltungshandelns der Treuhandanstalt / Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS) und der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) in der gescheiterten Privatisierung des Aufbau-Verlags dargestellt.

Die Aufbau-Verlag GmbH wurde am 18.08.1945 durch Treuhänder für den in Gründung als eingetragener Verein befindlichen Kulturbund gegründet, die im März 1946 ihre Geschäftsanteile auf den zwischenzeitlich im Vereinsregister eingetragenen Kulturbund e. V. übertrugen. Die Aufbau-Verlag GmbH wurde 1955 aus dem Handelsregister B für Kapitalgesellschaften in Berlin-Mitte in das Handelsregister C für volkseigene Betriebe und diesen registerlich gleichgestellte Unternehmen umgetragen, wobei die Eigentumsverhältnisse unverändert blieben. Zum 01.01.1964 wurde der Aufbau-Verlag organisatorisch mit dem Verlag Rütten & Loening zusammengelegt. Auch hierdurch haben sich die Eigentumsverhältnisse an den Verlagen nicht geändert.

Die Zeit bis zum Verkauf des Aufbau-Verlags am 18.09. / 27.09.1991

Die Treuhandanstalt / BVS hatte sich seit dem 01.07.1990 als Alleingesellschafterin einer vermeintlich nach dem Treuhandgesetz aus Volkseigentum entstandenen Aufbau-Verlag GmbH ausgegeben und behauptet, dieser gehöre das gesamte Verlagsvermögen des im August 1945 gegründeten Aufbau-Verlags. Durch Vertrag vom 18.09. / 27.09.1991 verkaufte sie die Geschäftsanteile an dieser vermeintlichen Aufbau-Verlag GmbH an eine Gruppe von Investoren unter Führung der BFL Beteiligungsgesellschaft mbH. Im Vertrag war vereinbart, dass das Kapital der verkauften Gesellschaft aus dem Vermögen des umgewandelten Aufbau-Verlags gebildet war.

Jedoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) durch Beschluss vom 03.03.2008 rechtskräftig festgestellt, dass in Wahrheit der Kulturbund, die ehemalige Massenorganisation der DDR, seit Verlagsgründung dessen alleiniger Eigentümer gewesen und geblieben ist, bis er ihn im Dezember 1995 an Herrn Bernd F. Lunkewitz persönlich verkauft hat. Die Treuhandanstalt / BVS ist damit entgegen ihren ständigen öffentlichen Behauptungen nie die Eigentümerin des Aufbau-Verlags gewesen und hat den Investoren im September 1991 eine vermögenslose Hülle verkauft.

Das Gesamtverhalten und das Zusammenspiel der mit der Privatisierung des Aufbau-Verlags und des Verlags Rütten & Loening befassten Behörden, also der Treuhandanstalt / BVS sowie der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, die im Einvernehmen mit der Treuhandanstalt / BVS die Eigentumslage von Aufbau und von Rütten & Loening zu klären hatte, soll im folgenden zusammenfassend dargestellt werden. Dazu werden die eigenen Verwaltungsakten der Behörden herangezogen, die erst ab 1997 in anderen Zusammenhängen bekannt geworden sind.

Die zuständigen Behörden hatten intern schon vor Verkauf der Geschäftsanteile im September 1991 erhebliche Zweifel, ob die Treuhandanstalt / BVS tatsächlich jemals Eigentümerin des Aufbau-Verlags geworden war. Dieser hätte sich dann bei Inkrafttreten des Treuhandgesetzes am 01.07.1990 in Volkseigentum befinden müssen. Dorthin konnte er nur durch den bisherigen Eigentümer übergeben worden sein. Die SED / PDS hatte zwar im Frühjahr 1990 auch für die Behörde überraschend behauptet, der Aufbau­Verlag gehöre ihr, und dann ein Protokoll zur Überführung des Verlags in Volkseigentum unterzeichnet. Dieser Eigentumsanspruch konnte jedoch in den zuständigen Behörden nicht nachvollzogen werden. Die Unabhängige Kommission veranlasste deswegen am 25.07.1991 Nachforschungen unter anderem zu der entscheidenden Frage, wann der Aufbau-Verlag aus dem Eigentum des Kulturbunds in das Eigentum der SED übergegangen sein sollte.

Der Nachforschungsauftrag richtete sich – auch – an die Treuhandanstalt / BVS Direktorat Privatisierung sowie an ihre für den Aufbau-Verlag zuständigen Wirtschaftsprüfer. Dort heißt es:

„Im Hinblick auf den Kulturbund der DDR ergeben sich aus den dargestellten Fakten folgende Fragen:

1.)   Wann ist der Verlag aus dem Volkseigentum in das Eigentum der SED übergegangen ?

2.)   Die Gewinne des Aufbau – Verlags flossen dem Kulturbund zu …

Wurden nach der Übernahme des Verlages durch die SED Verlagsgewinne an den Kulturbund gezahlt ? …

… die Fragestellung mit den Wirtschaftsprüfern erörtern …“

Nachforschungsauftrag Sekretariat UK PV 1 vom 25.07.1991

Die Nachforschungen ergaben am 14.08. / 29.08.1991, dass ein Eigentums­übergang vom Kulturbund auf die Partei nicht festgestellt werden konnte. Die Unabhängige Kommission beantwortete alle gestellten Fragen, insbesondere die Frage, wann der Aufbau-Verlag in das Eigentum der SED übergegangen sein sollte, mit

“…n.b. …“

= nicht bekannt

 Handschriftlicher Vermerk der Unabhängigen Kommission vom 29.08.1991

 Mit diesem Prüfungsergebnis konnte von der Entstehung eines Unternehmens nach dem Treuhandgesetz nicht mehr ausgegangen werden, da die Partei, was ihr nicht gehörte, auch nicht in Volkseigentum hatte übertragen können. Daraus folgte, dass die Treuhandanstalt / BVS, da sie ihrerseits nicht Eigentümerin geworden war, den Aufbau-Verlag nicht übertragen konnte.

Die Problematik der Plusauflagen

Zeitgleich ereignete sich folgendes:

Herr Lunkewitz hatte im Frühjahr 1991 sein Interesse am Erwerb des Aufbau­Verlags und des Verlags Rütten & Loening bekundet und trat mit der Treuhandanstalt / BVS in Verhandlungen ein, die sich im August / September 1991 erfolgreich entwickelten. Die Treuhandanstalt / BVS formulierte den zum Abschluss vorgesehenen Vertrag.

Dann verweigerte sie jedoch unmittelbar nach Vertragsschluss am 18.09.1991 die nach dem Vertrag vorgesehene, nachträgliche Zustimmung durch den Vorstand der Treuhandanstalt / BVS. Zur Begründung erklärte sie – jetzt erstmals -, Herr Lunkewitz müsse mangels Erfahrungen im Verlagswesen für die Führung eines solch renommierten Unternehmens weitere Gesellschafter aus der Verlagsbranche beteiligen. Herr Lunkewitz glaubte dieser Erklärung und bemühte sich um eine Lösung. Alsbald gründete sich unter Führung der durch Herrn Lunkewitz gegründeten BFL Beteiligungsgesellschaft mbH die Investorengruppe, mit der der Ergänzungskaufvertrag vom 27.09.1991 zustande kam. Die Treuhandanstalt / BVS kündigte am 01.10.1991 die erforderliche nachträgliche Zustimmung durch ihren Vorstand an, und die Übergabe des Aufbau-Verlags wurde für Montag, den 07.10.1991 vereinbart. Als Herr Lunkewitz am 07.10.1991, einen Tag vor Beginn der Frankfurter Buchmesse in Berlin eintraf, fand er zu seiner Überraschung das Verlagsgebäude von Polizeieinheiten umstellt, die Räume selbst von Staatsanwälten und Polizisten besetzt, die kompletten Lizenzakten, Herzstück jeder Verlagsarbeit, sowie weitere Unterlagen beschlagnahmt, ferner die versammelten Medien vor und hatte Mühe, sich überhaupt Zugang zu verschaffen. Die Ermittler präsentierten einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss vom 07.10.1991 und machten die Leiter und Mitarbeiter des Aufbau-Verlags damit bekannt, dass gegen Angehörige des Aufbau-Verlags und andere wegen des Verdachts des langjährigen fortgesetzten Betrugs in Tateinheit mit Vergehen nach dem Urheberrechtsgesetz ermittelt werde. Ermittlungsführerin war die Zentrale Ermittlungsstelle für die Bekämpfung der Regierungs – und Vereinigungskriminalität (ZERV), die im Haus der Treuhandanstalt / BVS saß und mit dieser eng kooperierte und vernetzt war. Die ZERV informierte umgehend die Öffentlichkeit darüber, dass gegen den Aufbau-Verlag und andere wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die vorgenannten Strafnormen ermittelt werde.

Plusauflagen seit den 1960 er Jahren

Einige DDR-Verlage, die vom Ministerium für Kultur verwaltet wurden, hatten seit den 1960 er Jahren auf ministerielle bzw. Parteiweisung Auflagenbeschränkungen, die sich aus den mit West-Verlagen geschlossenen Lizenzverträgen ergaben, gezielt missachtet und als Plusauflagen bezeichnete illegale Auflagen gedruckt und vertrieben. Die an die Vertragspartner nicht abgeführten Erlöse daraus flossen in den Parteihaushalt der SED. Diese Praxis wurde der bereits erwähnten ZERV für den Aufbau-Verlag anlässlich einer Durchsuchung der Räume der SED / PDS in Berlin durch die ZERV im Rahmen der Beschlagnahme von Dokumenten am 20.08. / 21.08.1991 bekannt. Als Beweismittel wurde u. a. ein Vermerk eines Mitarbeiters an den stellvertretenden Kulturminister der DDR Klaus Höpcke vom 28.11.1989 gefunden. Darin heißt es u. a.:

„Information für Genossen Klaus Höpcke

Zwischen der Abteilung Finanzverwaltung und Parteibetriebe des ZK, der Kulturabteilung des ZK und der Leitung der HV Verlage wurde Mitte der sechziger Jahre vereinbart, daß die Verlage Volk und Welt und der Aufbau-Verlag – beide Verlage sind Eigentum der SED – über die staatliche Vorgabe “Valutaausgaben für Lizenzen“ hinaus Auflagenerhöhungen vornehmen dürfen, die nicht Gegenstand der Lizenzverträge mit den Partnern im NSW waren.

Das wurde getan, um bei den begrenzten Valutamitteln ein für die Bevölkerung höheres Literaturangebot bereitstellen zu können.

Im internationalen Sprachgebrauch: Raubdrucke!“

(NSW: Nichtsozialistisches Währungsgebiet)

Vermerk des Herrn Dieter Lange vom 28.11.1989

Kenntnisse über die Eigentumslage am Aufbau-Verlag standen diesem allerdings mangels Einbindung in die maßgebliche Stufe der Parteihierarchie nicht zur Verfügung. Die ZERV unterrichtete das Direktorat Recht der Treuhandanstalt / BVS zu Händen seines damaligen Leiters, Herr Dr. Hans Richter. Die ersten behördeninternen Schadensberechnungen für den Aufbau­Verlag lagen bei DM 500.000,00 pro Jahr an nicht verjährten, entzogenen Lizenzgebühren. Daraus ergaben sich potentiell Forderungen in der Höhe von bis zu DM 30 Mio. Unter Berücksichtigung des unvermeidlich zu erwartenden Ruf – und Imageschadens, des Schadens aus dem zu erwartenden Rückruf von Autorenrechten und des unvermeidlichen Umsatzeinbruchs musste die Treuhandanstalt / BVS angesichts der Höhe der Forderungen mit dem Zusammenbruch des Unternehmens rechnen.

Die Treuhandanstalt / BVS gab die ihr unmittelbar nach dem 20.08. / 21.08.1991 von der ZERV vorgelegten Informationen über die Plusauflagen und die zu erwartenden Schäden, die für die Beurteilung des zu verkaufenden Verlages von zweifellos zentraler Bedeutung waren, nicht etwa an die Erwerbsinteressenten weiter, sondern hielt sie im Gegenteil strikt geheim. Sie informierte lediglich im Innenverhältnis die Ermittler darüber, dass der Aufbau­Verlag vor dem Verkauf stünde und der Verlust von Beweismitteln drohe, da der Verlag in der am (Sonntag, dem) 06.10.1991 beginnenden Woche von den Erwerbern übernommen werden solle.

Die Erwerber Lunkewitz und Dr. Wechsler seien möglicherweise Strohmänner.

„. ein Immobilienmakler aus dem Raum Frankfurt / M. und ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Bertelsmann – Konzern auf, es gibt aber vage Anhaltspunkte dafür, daß diese Personen nur für Dr. Elmar Faber stehen.

U. Schmidt, KOR“

Vermerk des Herrn KOR U. Schmidt von der Direktion VB B I vom 02.10.1991

Die Ermittler beantragten am Freitag, dem 04.10.1991, mit Eilvermerk Durchsuchungsbeschluss, der am frühen Morgen des 07.10.1991 erging. Die Ermittler besetzten sofort das Verlagsgebäude.

Vermerk der Direktion VB B I an die StA beim LG Berlin vom 04.10.1991

Eilvermerk der StA beim LG Berlin an den Haftrichter Amtsgericht Tiergarten vom 04.10.1991

Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Tiergarten vom 07.10.1991

Auch nach dieser Beschlagnahmeaktion verschwiegen die Treuhandanstalt / BVS und die Unabhängige Kommission den Käufern ihre Erkenntnisse. Die Treuhandanstalt / BVS hatte unter bewusster Übergehung sämtlicher Tatsachen sowohl am 18.09.1991 Herrn Lunkewitz als auch am 27.09.1991 die hinzutretenden Investoren zur Vertragsunterzeichnung veranlasst.

Nach dem 07.10.1991 gingen die Käufer einerseits von einer weit geringeren Schadenshöhe aus und sahen sich andererseits, mangels Kenntnis der Tatsachen und des vorsätzlichen Verhaltens der Treuhandanstalt / BVS, durch den Kaufvertrag gebunden, der keinerlei Aussicht auf Gewährleistung oder Schadensersatz bot. Die Treuhandanstalt / BVS beschränkte sich ihrerseits – in Kenntnis aller Umstände – darauf, durch Schreiben vom 11.10.1991 die noch ausstehende schriftliche Zustimmung des Vorstands zum Kaufvertrag vom 18.09. / 27.09.1991 an den beurkundenden Notar mit dem Bemerken zu überreichen:

„Sehr geehrter Herr Dr. .,

wir übersenden Ihnen hiermit unsere Zustimmungs­erklärungen … zu den im Betreff genannten notariellen Verträgen mit der Maßgabe, daß auch alle zwischenzeitlich den Käufern des Aufbau­Verlages bis heute bekannt gewordenen bzw. bekannt gegebenen weiteren Entwicklungen bei den zu übernehmenden Verlagen als zum Zeit­punkt des Vertragsabschlusses offenbart zu betrachten sind.“

Schreiben der Treuhandanstalt / BVS an den Notar vom 11.10.1991

Hätte die Treuhandanstalt / BVS die Käufer in den laufenden Vertrags­verhandlungen über die Problematik der Plusauflagen informiert, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, wäre allerdings ein Verkauf des Aufbau-Verlags unmöglich geworden. Nach Lage der Dinge, in Berücksichtigung der drohenden Ansprüche der Geschädigten und des zu erwartenden katastrophalen Imageschadens musste davon ausgegangen werden, dass der Aufbau-Verlag im Zuge der Aufdeckung der Plusauflagen zusammenbrechen würde. Die Treuhandanstalt / BVS hat diese ihr obliegende Verantwortung nicht wahrnehmen wollen und sie durch arglistiges Verschweigen auf die Käufer abgewälzt. Auf dem Einstieg dreier weiterer Käufer aus der Verlagsbranche nach dem 18.09.1991 hat die Behörde deswegen bestanden, weil sie die Hoffnung hatte, mit deren Einsatz könnte der Aufbau-Verlag den aus den Plusauflagen zu erwartenden Sturm vielleicht auffangen.

Den Investoren sind diese Umstände erst viel später, nämlich Mitte Juli 2006, bekannt geworden, und sie haben darauf hin die mit der Treuhandanstalt / BVS geschlossenen Verträge angefochten, um sodann den Ausgang des nunmehr vom BGH am 03.03.2008 entschiedenen Verfahrens abzuwarten.

Nachfolgende ergänzende Untersuchungen der Behörden haben das fehlende Eigentum der Treuhandanstalt / BVS am Aufbau-Verlag vielfach bestätigt. Jedoch verschwiegen sowohl die Treuhandanstalt / BVS als auch die Unabhängige Kommission den Investoren weiterhin beharrlich ihr Wissen und versuchten auch, die mit den Prozessen um den Aufbau-Verlag befassten Gerichte über die Umstände zu täuschen.

Die Zeit nach Unterzeichnung der Verträge vom 18.09. / 27.09.1991

Am 18.09. / 27.09.1991 verkaufte die Treuhandanstalt / BVS die Verlage an die Investoren. Am 05.03.1992 nahm der für den Verkauf der Verlage verantwortliche Abteilungsleiter der Treuhandanstalt / BVS – Direktorat Privatisierung -, Herr Clemens Molinari, an einer Sitzung der Liegenschaftsgesellschaft der Behörde, der TLG GmbH – Team Berlin II – teil, deren Gegenstand die Verwertung verschiedener Immobilien in Berlin Mitte war. Die Teilnehmer behandelten auch die Französische Straße 32 / 33, deren Eigentümer bis September 1991 der Aufbau-Verlag gewesen war. Herr Molinari erklärte für die Treuhandanstalt / BVS, dass es sich bei der Position

„2.10. Französische Str. 32 / 33, TLG – Nr. 27793 Aufbau – Verlag“

Protokoll der 6. Besprechung der TLG GmbH vom 05.03.1992 unter 2.10

nicht um Parteivermögen handele.

Herr Molinari informierte über eine Entscheidung der „Unabhängigen Kommission“, daß es sich nicht um Parteivermögen handelt.“

Festgestellt war damit auch, dass der Aufbau-Verlag, dem die Grundstücke ja gehörten, seinerseits nicht zum Parteivermögen gehörte.

Weitere Ermittlungen des Sekretariats der Unabhängigen Kommission zum Aufbau-Verlag im Wege der Einvernahme leitender Mitarbeiter der ehemaligen VOB Zentrag führten zu Ergebnissen, die am 29.12.1992 vom Sekretariat der Unabhängigen Kommission wie folgt in einem Vermerk zusammengefaßt wurden:

1.) „Frau Smalla … langjährige leitende Mitarbeiterin in der VOB Zentrag (zuletzt als Prokuristen), erklärt … Der Aufbau – Verlag sei kein Parteibetrieb gewesen, vor allen Dingen sei er nicht von der VEB Zentrag verwaltet oder sonst bei ihr geführt worden. Auch die typischerweise in Betracht kommenden Umstände für eine Parteizugehörigkeit

–  Bilanzierung bei der Zentrag,

–  Gewinnabführung über die Zentrag an die Partei,

–   Einbeziehung der Verlagsbeschäftigten in die „Freiwillige zusätzliche Altersversorgung der Partei“ für Mitglieder der SED, ihrer Einrichtung und Betriebe, hätten nicht vorgelegen,

2.) Im Ergebnis ebenso äußerte sich beiläufig am 14.12.2992 Arno Lange, der … den Eindruck hervorragender Kennerschaft zur Geschichte und Verknüpfung der Verlage vermittelt. Lange hat auch eine nachvollziehbare Erklärung dafür, daß sich die Partei gleichwohl mit dem Protokoll der Übergabe des Verlages in Volkseigentum als Eigentümerin geriert hat.“

Vermerk vom 29.12.1992

In diesem Vermerk befindet sich auf Blatt 2 die zusätzliche Aktennotiz:

„Herr Lange legte dar, daß es sich beim Aufbau Verlag um einen OEB des Kulturbundes gehandelt habe. Er nimmt dabei auf die anliegende Vereinbarung Bezug.

Hi 12 / 1“

Vermerk vom 29.12.1992 (2)

Diese Vereinbarung ist aus der Akte verschwunden.

Am 10.02.1993 kam das Sekretariat der Unabhängigen Kommission zu folgenden Feststellungen:

„Aufgrund weiterer Ermittlungen läßt sich nunmehr Feststellung anschließen, daß der Verlag auch zum 07. Oktober 1989 kein Parteivermögen war …

Es ist somit … davon auszugehen, daß der Aufbau – Verlag am 07. Oktober 1989 nicht zum Partei­vermögen, sondern zum Vermögen des Kulturbundes gehört hat … Gehörte der Aufbau – Verlag zum 07. Oktober 1989 dem Kulturbund, so war seine Überführung durch die SED / PDS in Volkseigentum zum 01. Januar 1990 – unabhängig von den in meinem Schreiben vom 06. September 1991 bereits geäußerten Bedenken – materiell unwirksam, da die SED / PDS als Nichtberechtigte gehandelt hätte …

Gegebenenfalls wären auch die Nachfolgeakte materiell angreifbar; die Umwandlung in eine GmbH i. G. wegen fehlenden Volkseigentums, die Veräußerung der GmbH durch die (allgemeine) THA an Lunkewitz …

Gesprächsvermerk vom 10.02.1993

Die Treuhandanstalt / BVS, und zwar sowohl ihr Direktorat Sondervermögen als auch ihr Direktorat Privatisierung, wurden über die Erkenntnisse informiert.

Am 08.03.1993 telefonierte die Unabhängige Kommission durch ihren Regierungsrat Berger mit der Treuhandanstalt / BVS Privatisierung – zuständiger Sachbearbeiter: Herr Holle – und erörterte die Sach – und Rechtslage im Ergebnis des Vermerks vom 10.02.1993. Die Gesprächspartner verabredeten, dass der Treuhandanstalt / BVS die Erkenntnisse samt Unterlagen nochmals zusammenfassend vorgelegt werden sollten. Das Sekretariat der Unabhängigen Kommission kam dem durch Korrespondenz vom 10.03.1993 nach und erklärte u. a.:

„Aus dem in der Akte befindlichen Vermerk vom 10.02.1993 geht jedenfalls schlüssig hervor, daß es sich bei dem Aufbauverlag Berlin und Weimar um einen organisationseigenen Verlag im Eigentum des Kulturbundes gehalten hat.

Schreiben des Sekretariats der UK PV vom 10.03.1993

Die Treuhandanstalt / BVS und die Unabhängige Kommission dachten also weiterhin nicht daran, die Investoren zu informieren. Es entstand lediglich interner Streit darüber, welche der Behörden den Kaufpreis, den die Investoren im September 1991 gezahlt hatten, für sich behalten durfte. Die Unabhängige Kommission reklamierte den Kaufpreis bereits für ihren Zuständigkeitsbereich.

„…müßte ein positiver Kaufpreis aus der Veräußerung des Verlages … zu gemeinnützigen Zwecken im Beitrittsgebiet … verwendet werden.“

Demgegenüber beanspruchte die Treuhandanstalt / BVS den Kaufpreis für den Bundeshaushalt.

Gegenüber der Treuhandanstalt / BVS Direktorat Sondervermögen wurde das Sekretariat der Unabhängigen Kommission nochmals am 21.06.1993 tätig und stellte auch im dortigen Verhältnis die Unterlagen zur Verfügung mit dem Anschreiben:

„Wie Sie aus dem Aktenvermerk vom 10. Febr. 1993 … ersehen werden, handelt es sich bei dem Aufbau-Verlag Berlin und Weimar um einen Vermögensgegenstand des Kulturbundes der DDR…“

Schreiben vom 21.06.1993

Die Unabhängige Kommission bestand wiederum darauf, dass der Kaufpreis nicht über die Treuhandanstalt / BVS in das Bundesvermögen, sondern über die Unabhängige Kommission in den neuen Bundesländern zu verwenden sei.

„Ich habe in diesem Schreiben darauf hingewiesen, daß der Ertrag aus dem Verkauf des Verlages zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden ist …“

 Schreiben vom 21.06.1993 (2)

 Zur Jahreswende 1993 / 1994 ergab sich bei den Investoren eine erste Unsicherheit darüber, ob die Privatisierung der Verlage überhaupt zustande gekommen war. Die seinerzeitigen Geschäftsführer der Aufbau-Verlag GmbH wandten sich am 29.12.1993 auf Grund folgender Umstände an die Treuhandanstalt:

Die vermeintlich umgewandelte Gesellschaft befand sich seit 1993 vor dem Landgericht Hamburg in einer Auseinandersetzung mit dem Rowohlt Verlag um die Rechte am Werk Carl von Ossietzkys. Rowohlt hatte dort seinerseits die Parteifähigkeit des Aufbau-Verlags wegen mangelnder Umwandlung nach dem Treuhandgesetz in Zweifel gezogen. Die Geschäftsführer der Gesellschaft stellten der Treuhandanstalt / BVS die Problematik dar und erbaten – nach ihrem damaligen Kenntnisstand – vorsorglich die Abtretung etwa von dieser verwalteter Rechte.

Schreiben der Aufbau-Verlag GmbH vom 29.12.1993

Bei der Treuhandanstalt / BVS kam es allein wegen dieser Problematik am

09.02.1994 zu einer Besprechung zwischen den leitenden Mitarbeitern.

der THA Direktorat Privatisierung

der THA Direktorat Sondervermögen

des Sekretariats der Unabhängigen Kommission,

deren einziges Thema die in der Korrespondenz der Geschäftsführer vom 29.12.1993 dargelegte Problematik war. Als Ergebnis der Erörterungen wurde zwischen den beteiligten Behörden einvernehmlich folgendes festgestellt:

„Es wurde dargelegt, daß der Aufbau-Verlag ein organisationseigener Betrieb im Eigentum des Kulturbundes gewesen sei und nicht im Eigentum der SED.

Es bestand Einigkeit darüber, daß dies zur Folge hat, daß die Aufbau-Verlag GmbH, deren Gesellschaftsanteile veräußert wurden, eine vermögenslose Hülle darstellt, da sie nicht gem. § 11 Abs. 2 TreuhG … Rechtsnachfolgerin in das Vermögen des OEB Aufbau – Verlag werden konnte …“

Vermerk vom 11.02.1994

In der Besprechung vom 09.02.1994 stellte die Unabhängige Kommission durch Herrn Regierungsrat Berger klar:

„Ich habe klargestellt, daß die Wirksamkeit der Veräußerung des Aufbau – Verlages (im Außen­verhältnis) nicht in Frage gestellt werden solle, sondern nur intern zwischen der Unabhängigen Kommission und der Treuhandanstalt entschieden werden müsse, ob aus der Veräußerung des Aufbau-Verlages ein positiver Kaufpreis erzielt werden konnte …“

Tatsächlich verschwiegen Treuhandanstalt / BVS und Unabhängige Kommission weiterhin ihren gesamten, wahren Kenntnisstand. Statt dessen erklärte die Treuhandanstalt / BVS im Einvernehmen mit der Unabhängigen Kommission der Aufbau-Verlag GmbH am 11.02.1994 das völlige Gegenteil der Beratungsergebnisse vom 09.02.1994.

„Im übrigen ist die Treuhandanstalt nach dem derzeitigen Kenntnisstand ihren Verpflichtungen aus den Verträgen vom 18. September und 27. September 1991 nachgekommen und hält daher eine Abgabe weiterer Abtretungserklärungen nicht für erforderlich.

 Mit freundlichen Grüßen Dr. Dierdorf.“

 

Schreiben der Treuhandanstalt vom 11.02.1994

Aufgrund dieser Erklärung der Treuhandanstalt / BVS hielten die Aufbau-Verlag GmbH und deren Geschäftsführer wie auch die Investoren guten Glaubens die entstandenen Unsicherheiten für ausgeräumt.

Im Innenverhältnis zwischen den beteiligten Behörden fasste die Unabhängige Kommission deren gemeinsamen Erkenntnisse später nochmals durch Vermerk vom 17.03.1994 zusammen.

 „Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Aufbau – Verlag nach seiner Löschung im Handelsregister B und Eintragung im Register C als Verlag des Kulturbundes behandelt wurde. Dementsprechend erhielt der Kulturbund bis 1989 einschließlich pauschalierte Gewinnabführungen von Ministerium für Kultur.

 Es gibt keine Hinweise auf eine Übertragung des Aufbau-Verlages in Volkseigentum.

Vermerk vom 17.03.1994, vgl aaO Blatt 3

Einige Monate später, am 28.09.1994, eröffnete die Unabhängige Kommission durch Herrn Regierungsrat Berger Herrn Lunkewitz in einem Telefonat, die Unabhängige Kommission und die Treuhandanstalt / BVS hätten schon seit längerem positiv Kenntnis davon, dass die Aufbau-Verlag GmbH nie im Eigentum der SED gestanden, sondern stets dem Kulturbund e. V. gehört habe. Die Aufbau-Verlag GmbH sei nicht Rechtsnachfolgerin des Aufbau­Verlags wie er in der DDR dem Kulturbund gehört habe und noch gehöre.

„Gesprächs-Notiz mit Hr. Lunkewitz in FfM

Ich erkläre, daß spez. im Fall Aufbau Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Aufbau nicht OEB SED, sondern OEB Kulturbund … war und er daher eine vermögenslose Hülle erworben habe. Hr. Lunkewitz erklärt (äußerst erregt) die Frage und die rechtl. Konsequenzen prüfen zu lassen.“

 

Aktenvermerk der Unabhängigen Kommission durch Herrn Regierungsrat Berger vom 28.09.1994

 

Das Gutachten Prof. Dr. Schlink

Darauf veranlassten die Investoren eine eigene Überprüfung der Feststellungen der Unabhängigen Kommission, die sie der Treuhandanstalt am 24.10.1994  vorlegten. Daraus bestätigte sich die Richtigkeit der ihnen mitgeteilten Feststellungen. Es kam zu mehreren Verhandlungsrunden zwischen den Parteien, in deren Verlauf die Treuhandanstalt / BVS am 08.12.1994 die Einholung eines Rechtsgutachtens über die Problematik als Grundlage für weitere Gespräche vorschlug, wobei sie den Investoren allerdings ihr gesamtes bereits vorhandenes Wissen verschwieg. Die Behördenvertreter führten aus, sie wollten einen sehr renommierten Gutachter aussuchen. Für dessen uneingeschränkte Integrität und Unabhängigkeit stehe die Treuhandanstalt / BVS besonders ein, da sie eine Gesetz und Recht besonders verpflichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Damit waren die Investoren einverstanden. In Berücksichtigung des großen Eilbedürfnisses der Sache versprach die Treuhandanstalt die Vorlage des Gutachtens ursprünglich zum 18.12.1994, dann spätestens zum 04.01.1995.

Auch am 04.01.1995 legte sie jedoch das Gutachten nicht vor, sondern kündigte eine erneute Verzögerung von drei Wochen an. Herr Lunkewitz wies das zurück und äußerte die Vermutung, es liege durchaus bereits ein Gutachten vor, das jedoch der Treuhandanstalt / BVS nicht genehm sei.

 „. da ich davon ausgehe, daß Ihnen längst ein – allerdings nicht genehmes – Gutachten vorliegt. Die jetzt von Ihnen verlangte weitere Frist von drei Wochen ist offensichtlich für die An­fertigung eines neues, Ihre Rechtsauffassung verteidigenden Gutachtens bestimmt.“

 Schreiben Herrn Lunkewitz an die Treuhandanstalt / BVS vom 04.01.1995

Diese wies das durch ihren Direktor Dreher “. mit Nachdruck .“ zurück.

 “Ihre Behauptung, daß uns ein nicht genehmes Gutachten bereits vorläge, müssen wir allerdings mit Nachdruck zurückweisen. Wir sind an einer sorgfältigen und umfassenden Begutachtung der Angelegenheit ebenso nachhaltig interessiert, wie wir es bisher von Ihnen angenommen haben. Wir dürfen Sie daher bitten, bei der bisherigen fairen Verfahrensführung zu bleiben und uns keine unlauteren Motive zu unterstellen.“

 Schreiben der Treuhandanstalt / BVS vom 04.01.1995

Tatsächlich war der Treuhandanstalt / BVS das Gutachten bereits am 13.12.1994 übergeben worden. Nur waren die Gutachter nicht zu dem von der Treuhandanstalt / BVS gewünschten Ergebnis gekommen. Sie bestätigten im Gegenteil die eigenen Erkenntnisse der Behörde und der Unabhängigen Kommission und die eigenen Überprüfungen der Investoren nach dem 28.09.1994, dass der Aufbau-Verlag nie in das Eigentum, damit: in die Verfügungsmacht der Treuhandanstalt nach THG, gelangt war, sondern weiterhin dem Kulturbund gehörte. Darin lag zugleich die Feststellung, dass die Treuhandanstalt die geschlossenen Verträge gegenüber den Käufern nicht erfüllt hatte.

Der Korreferent der Gutachter, Herr Dr. Hohmann aus Berlin, hatte seinen gutachterlichen Vermerk vom 13.12.1994 am selben Tage mit einem Anschreiben dazu überreicht. Darin heißt es:

 „… hiermit übersende ich Ihnen den angekündigten Vermerk. Leider kann ich Ihnen nichts Positiveres mitteilen … Das DDR-Recht hilft jedoch nicht weiter. Ich denke, daß die THA, wenn sie weiterhin darauf beharren sollte, auf verlorenem Posten steht. Deshalb habe ich auch Abstand davon genommen, Herrn Prof. Schlink von mir aus einzuschalten … „

 Schreiben Herr Dr. Hohmann vom 13.12.1994

Im gutachtlichen Vermerk selbst heißt es im einzelnen wie folgt:

 „Eine Enteignung des Kulturbundes hinsichtlich seines Eigentums am Aufbau-Verlag hat nicht stattgefunden. Der Aufbau-Verlag ist auch nicht aus volkseigenen Mitteln neu- oder ausgegründet worden. Ebensowenig hat ein Verkauf oder eine Schenkung des Kulturbundes an den Staat DDR hinsichtlich des Aufbau – Verlages stattgefunden.

Im Gegenteil, der Kulturbund gehörte nach 1949 zu den … Massenorganisationen, deren Eigentum verfassungsrechtlich besonders anerkannt und geschützt war … „

 Gutachterlicher Vermerk Dr. Hohmann o. D., bei der Treuhandanstalt eingegangen am 13.12.1994,

 

Zwischenergebnis:

Da der Kulturbund das Eigentum am Aufbau-Verlag seit 1946 weder durch Enteignung noch durch Verkauf oder Schenkung an den Staat DDR verloren hat, ist daran jedenfalls kein Volkseigentum entstanden … „

 „Zwischenergebnis:

Auch die Eintragung des Aufbau-Verlages im Register der volkseigenen Wirtschaft führte nicht dazu, daß der Verlag von diesem Zeitpunkt an im Volkseigentum stand …“

 „Gesamtergebnis:

 Der Aufbau-Verlag konnte nicht nach dem TreuhG umgewandelt und privatisiert werden, da er sich nicht im Volkseigentum befand …“

 Herr Dr. Hohmann hatte der Treuhandanstalt / BVS also dargelegt, dass die Treuhandanstalt mit ihren Vorstellungen von der Sach- und Rechtslage „… auf verlorenem Posten …“ stand. Die Treuhandanstalt / BVS war gegen ihr eigenes besseres Wissen nicht bereit, dieses Ergebnis hinzunehmen, da es nicht ihrem Interesse entsprach, die Rechtsansicht der Investoren zu bestätigen. Deswegen beharrte sie auf der Anfertigung eines weiteren ‚Gutachtens‘ und konnte Herrn Prof. Dr. Schlink am 23.12.1994 schließlich zur Kooperation überreden. Diese sah so aus, dass sie die ‚Projektleitung‘ selbst übernahm. Das so entstandene ‚Gutachten‘ legte sie den Investoren Ende Januar 1995 vor. Diese hatten inzwischen, am 27.01.1995, Klage erhoben.

Herrn Prof. Dr. Schlink hatte sie für seine Bemühungen ein Honorar in Höhe von DM 30.000,00 netto zugesagt. Seine Kostennote vom 06.03.1995 glich sie aus.

Kostennote Herr Prof. Dr. Schlink vom 06.03.1995

Anlässlich des Fortgangs des Verfahrens der Investoren-LG Berlin (9 0 57 / 95) / KG (14 U 856 / 96) -, das die ‚Gutachter‘ für sie begleiteten, rief sie durch unhöfliches Benehmen ihres Gruppenleiters Herrn Lothert den Unmut der ‚Gutachter‘ hervor. Herr Lothert entschuldigte sich.

„…

Sehr geehrter Herr Dr. Hohmann,

 …

Sollte meine kurze Notiz vom 09.10.1995 bei Ihnen Unmut hervorgerufen haben, so möchte ich mich dafür entschuldigen. Diese Notiz wurde in aller Eile verfaßt und sollte nur kurz den zeitlichen Rahmen abstecken.

 Ich möchte nochmals betonen, daß ich keinerlei Kritik an dem Gutachten, das unter unserer Mitarbeit entstanden ist, zum Ausdruck bringen wollte: im Gegenteil, nach meiner Meinung war die bisherige Zusammenarbeit sehr konstruktiv und harmonisch.

 In der Hoffnung, daß dieses Mißverständnis nun aufgeklärt ist, bitte ich Sie, meine Entschuldigung auch Herrn Prof. Dr. Schlink zu übermitteln.

 Mit freundlichen Grüßen

 R. Lothert Gruppenleiter“

 Korrespondenz der BVS vom 12.10.1995

 

Die Zeit nach Klageerhebung am 27.01.1995

Am 27.01.1995 reichten die Investoren Klage beim Landgericht Berlin auf Erfüllung und Schadensersatz ein.

Am 28.02.1995 erwarb Herr Lunkewitz vorsorglich vom Kulturbund e. V. die Geschäftsanteile an der im August 1945 gegründeten Aufbau-Verlag GmbH, die im Jahre 1955 in Ost-Berlin aus dem Handelsregister B gelöscht worden war. Der Kulturbund e. V., der als ehemalige Massenorganisation der DDR unter der Zwangsverwaltung der Treuhandanstalt / BVS stand, beantragte bei der Behörde die für den Verkauf erforderliche Zustimmung. Die Behörde beabsichtigte, zumal im Blick auf die Klageerhebung durch die Investoren, diese zu verweigern, verfasste den Entwurf eines Ablehnungsbescheids und legte diesen am 06.03.1995 der Unabhängigen Kommission vor mit der Bitte, diese möge ihr gesetzlich erforderliches Einvernehmen erteilen.

Schreiben der Treuhandanstalt / BVS an die Unabhängige Kommission vom 06.03.1995

Entwurf eines Ablehnungsbescheids gegenüber dem Kulturbund e. V. als Dokument dazu

Im Entwurf heißt es:

 „Das ursprüngliche Eigentum des Kulturbundes an dem OEB Aufbau-Verlag ist, nachdem es zunächst auf die SED / PDS übergegangen war, in Volkseigentum überführt worden und unterfiel dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 4 TreuhG …“

 Dies widersprach völlig den Erkenntnissen bei den Behörden, wie sie sich aus allen anderen Urkunden ergeben.

Herr Regierungsrat Berger vom Sekretariat der Unabhängigen Kommission rief am 07.03.1995 beim Vorsitzenden der Kommission in München an. Dabei handelte es sich um Herrn Prof. Dr. Papier, den späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Herr Berger legte Herrn Papier den Hintergrund des Vorgangs dar – Schadensersatzansprüche der Investoren – und kündigte die Bitte um Einvernehmen durch Eilentscheidung an.

„Gesprächs – Notiz mit Prof. Papier in München

Betrifft: Aufbau – Verlag

Habe Prof. Papier über den Hintergrund Klage Lunkewitz / BVS wegen Aufbau unterrichtet und Übersendung der Bitte um Einvernehmen per Eilentscheidung angekündigt.“

 Gesprächs-Notiz Regierungsrat Berger

Herr Papier kündigte seine Zustimmung an. Herr Berger versandte am 08.03.1995 um 9.51 Uhr abredegemäß den Entwurf einer Eilentscheidung per Telefax nach München. Herr Papier teilte am 08.03.1995 um 12.00 Uhr seine Zustimmung telefonisch mit. Herr von Hammerstein, der Leiter des Sekretariats der Unabhängigen Kommission, vermerkte dies auf der Entwurfsfassung vom 07.03.1995 und gab die Zustimmung unverzüglich an die Treuhandanstalt / BVS weiter.

Telefax des Sekretariats der Unabhängigen Kommission an Herrn Papier vom 08.03.1995

Telefonvermerk des Herrn von Hammerstein über sein Gespräch mit Herrn Papier vom 08.03.1995

Bestätigungsvermerk des Herrn von Hammerstein über das telefonisch erteilte Einverständnis vom 08.03.1995

Weitergabe des Vorgangs per Telefax durch die Unabhängige Kommission an die Treuhandanstalt / BVS vom 08.03.1995

Am 09.03.1995 erließ die Treuhandanstalt / BVS den Ablehnungsbescheid in der unveränderten Entwurfsfassung und teilte dies der Unabhängigen Kommission am 10.03.1995 mit.

Bescheid der Treuhandanstalt / BVS vom 09.03.1995

Schreiben der Treuhandanstalt / BVS an die Unabhängige Kommission vom 10.03.1995

Am 18.09.1995 wandte sich die Treuhandanstalt durch ihr Direktorat Sondervermögen – Vermögenszuordnung – an die Unabhängige Kommission wegen des Grundstücks Französische Straße 33 und bat um die Beantwortung folgender Fragen:

1.)   Ist das Grundstück 1966 wirksam in das Eigentum des Aufbau-Verlages übergegangen ?

2.)   Hat die PDS das Grundstück Französische Straße 33 im Jahre 1990 wirksam in Volkseigentum überführt ?

 Schreiben der Treuhandanstalt – Direktorat Sondervermögen – Vermögenszuordnung – vom 18.09.1995

Die Unabhängige Kommission besprach die Sache durch Herrn Regierungsrat Berger mit der Treuhandanstalt am 04.10.1995 mit folgendem Ergebnis:

 „Habe Herrn Heimburger auf Prozeßrisisko Lunkewitz ./. BVS hingewiesen. Habe mit ihm vereinbart, daß ich nur zur Frage 1.) Stellung nehme (Eigentumserwerb 66) und die weiteren Fragen reine Rechtsfragen außerhalb der Zuständigkeit der UK sind …“

 Gesprächsnotiz Herr Berger vom 04.10.1995

Am 04.10.1995 verfuhr die Unabhängige Kommission absprachegemäß und nahm im vorbesprochenen Sinne Stellung.

Schreiben der Unabhängigen Kommission an die Treuhandanstalt vom 04.10.1995

Seit dem Frühjahr 1995 befaßte sich das Amtsgericht Charlottenburg als Handelsregistergericht mit der Problematik und kam seinerseits in einer Zwischenverfügung vom 21.06.1995 zu dem Ergebnis, dass der Kulturbund e. V. weiterhin Eigentümer des Aufbau-Verlags war und deswegen eine Aufbau­Verlag GmbH nach dem Treuhandgesetz nicht entstanden war. Am 27.09.1995 legte der dortige Bevollmächtigte einen Schriftsatz bei dem Amtsgericht Charlottenburg vor, der die aus den verwaltungsgerichtlichen Akten neu gewonnenen Erkenntnisse über den Kenntnisstand und das Verwaltungshandeln der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission darstellte. Die Bevollmächtigten der Treuhandanstalt, die sich am 27.09.1995 in einem Telefonat mit dem Gericht über diese Umstände in Kenntnis setzen ließen, informierten unverzüglich die Treuhandanstalt.

„Sehr geehrte Herren,

 soeben erfahre ich in einem sehr ausführlichen Telefonat mit der Registerrichterin, daß Herr RA Schrader heute morgen Unterlagen vorbei­gebracht hat .

 Diese Unterlagen belegen angeblich, daß bereits seit langer Zeit THA und UK davon ausgehen, daß der Aufbau – Verlag niemals in Volkseigentum überführt worden sei .

 …

Die derzeitige Einstellung der Registerrichterin mit verärgert zu charakterisieren, wäre eine die Situation nicht treffende grobe Untertreibung.

 …

Das Auftauchen der “neuen Unterlagen“ die jedenfalls hier bislang nicht bekannt waren, könnte die bisherige Position nicht unerheblich erschweren.

 …

Außerdem müssen m. E. auch die gegen die von uns vertretene Rechtsauffassung sprechenden Dokumente –  jedenfalls intern – “auf den Tisch“, denn nur dann ist es möglich, eine Rechtsansicht aufzubauen und zu vertreten, die zumindest in sich schlüssig ist.“

 Schreiben RAe Heuking & Partner vom 27.09.1995

Am 06.10.1995 schrieben die Bevollmächtigten an die Treuhandanstalt:

„Sehr geehrte Herren,

 nunmehr liegt mir die Stellungnahme von Herrn Rechtsanwalt Schrader vor, mit der dieser Aktenauszüge dem Registergericht vorgelegt hat … Angesichts dessen erlaube ich mir – wie bereits mit Herrn Beimesche in Bezug auf das landgerichtliche Verfahren erörtert – die Nachfrage, ob nicht die Möglichkeit besteht, eine Stellungnahme der Unabhängigen Kommission zu erhalten, aus der sich ergibt, daß die damaligen Erkenntnisse nur vorläufige waren, oder die die nun vorgelegten Aktenauszüge in sonstiger Weise relativieren.“

Korrespondenz Rechtsanwälte Heuking vom 06.10.1995

Mit der Formulierung

„Angesichts dessen erlaube ich mir – wie bereits mit Herrn Beimesche in Bezug auf das landgerichtliche Verfahren erörtert – die Nachfrage … „

 war der von den Investoren zwischenzeitlich auf den Weg gebrachte Zivilprozeß auf Vertragserfüllung und Schadensersatz (Landgericht Berlin 9 O 57 / 95) gemeint. Die Bevollmächtigten schlugen also vor, das zuständige Gericht durch die Vorlage einer manipulierten Stellungnahme der zuständigen Behörde – Unabhängige Kommission – über die Sach – und Rechtslage zu täuschen.

Die Treuhandanstalt gab den Vorgang durch den dortigen Herrn Lothert unter Anbringung mehrerer Dringlichkeitszeichen weiter an die Unabhängige Kommission. Sie setzte sich unter dem 09.10.1995 mit ihren Bevollmächtigten ins Benehmen und forderte diese auf, zur Regelung der Angelegenheit direkt mit der Unabhängigen Kommission Kontakt aufzunehmen.

Dabei sah sie sich veranlasst, gegenüber ihren Bevollmächtigten nochmals ausdrücklich klarzustellen:

 „SgH RA Braun,

 … Ich möchte Sie bitten mit Herrn Schmidt Habersack bzgl. der Erklärungen der UK Verbindung aufzu­nehmen. Es ist vor allem darauf abzustellen, daß Herr Berger eine „Privatmeinung“ vertritt …“

 Telefax der Treuhandanstalt vom 09.10.1995 an Herrn RA Braun

Die Bevollmächtigten verfuhren auftragsgemäß und verabredeten mit der Unabhängigen Kommission den Inhalt eines Vermerks, den diese am selben 09.10.1995 zur Verfügung stellte.

Vermerk der Unabhängigen Kommission vom 09.10.1995

Die Bevollmächtigten legten unter Hinzufügung entsprechenden Vortrags den Vermerk vom 09.10.1995 im Erfüllungs- und Schadensersatzprozess der Investoren (Landgericht Berlin 9 0 57 / 95) durch Schriftsatz vom 06.11.1995, aaO Blatt 6, vor.

Schriftsatz der Treuhandanstalt vom 06.11.1995 im Auszug

Am 14.09.1996 wandte sich die Treuhandanstalt durch ihr Direktorat Sondervermögen an die Bonner Rechtsanwälte Türk & Partner, die den Kulturbund in dessen vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen mit der Treuhandanstalt im Rahmen der Zwangsverwaltung vertraten. In der Korrespondenz verlangte sie unter Inanspruchnahme von Befugnissen aus der Zwangsverwaltung die Vorlage einer der streitbefangenen Vereinbarungen des Kulturbunds. Zur Begründung erklärt sie darin:

 „…Nach § 20 Absatz 1 Parteiengesetz der DDR in Verbindung mit den Maßgaben des Einigungs­vertrages werden Vermögensveränderungen nur mit Zustimmung der Treuhandanstalt … wirksam. … Dies gilt insbesondere für das Alt­vermögen, zu dem der Aufbau-Verlag zweifellos gehört …

 Erklärung der Treuhandanstalt vom 14.09.1996

 Zusammenfassung

Die vorgelegten Dokumente beweisen, dass die Treuhandanstalt / BVS und die Unabhängige Kommission entgegen allen öffentlichen Behauptungen von Anfang an und noch vor dem beabsichtigten Abschluss der Verträge mit den Investoren am 18.09. / 27.01.1991 erhebliche Zweifel an der Eigentumslage beim Aufbau-Verlag hatten, die sich bis Vertragsschluss noch verfestigten. Gleichwohl hat die Treuhandanstalt / BVS die Verträge geschlossen, wobei sie den Investoren ihr Wissen, das dem Vertragsinhalt völlig widersprach verschwieg. Spätestens seit Anfang 1992 wussten die Behörden positiv, dass das Eigentum am Aufbau-Verlag zu keiner Zeit auf die Treuhandanstalt / BVS übergegangen war, sondern der Kulturbund weiterhin Eigentümer war. Sie verschwiegen ihr Wissen jedoch weiterhin und haben darüber hinaus gegenüber den Investoren, gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den Gerichten nach Kräften zusammengewirkt, um alle Beteiligten zu täuschen und für den angerichteten Schaden keine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Dem Kulturbund, dessen treuhänderische Verwalterin die Treuhandanstalt / BVS war, haben die Behörden durch ihr gemeinschaftliches Verhalten sein Eigentum am Aufbau-Verlag bewusst gesetzeswidrig für eigene Zwecke entzogen.

Darüber hinaus hat die Treuhandanstalt / BVS die Investoren auch über die Problematik der Plusauflagen getäuscht. Auch diese Umstände waren ihr längst vor Abschluss der Verträge im September 1991 bekannt. Sie hat den Investoren ihr Wissen gezielt verschwiegen, um auch die daraus zu erwartenden Schäden auf diese abzuwälzen.