Zum Tode von Elmar Faber

Elmar Faber hatte einen sehr eigensinnigen Charakter. Er hat im sozialistischen Literaturbetrieb der DDR manche Verdienste erworben und danach sogar mehr noch als selbständiger Verleger in Leipzig. Als Direktor des Aufbau-Verlages hat er acht Jahre lang – die Partei öffentlich lobend – mit sorgfältig verdrehter Sprache zäh die Autoren des Verlages und ihre Werke gegen manche SED Apparatschiks verteidigt. Der Stasi, den übelsten Lügnern in der DDR, hat er die inoffizielle Mitarbeit verweigert und das Vertrauen zwischen Verlag und Autoren so weit wie möglich geschützt. Dabei war er ein loyaler DDR Bürger, der – wie er den alten Genossen gern erzählte – den SED Sozialismus lieber reformiert und behalten hätte, als ihn gegen das kapitalistische System der Bundesrepublik auszutauschen.

Die Diktatur der SED hat in der DDR vor allem die Lüge kultiviert und das Leugnen der tatsächlichen Verhältnisse überlebenswichtig gemacht, weshalb sie für manchen, so auch für Elmar Faber, zur Alltäglichkeit wurde, die ihm den Aufstieg in diesem verlogenen System ermöglichte. Manche Lüge hat Faber so verinnerlicht, dass er sie am Ende wohl selber glaubte. Sein sehr oft wiederholtes Selbstlob, er habe im Kampf gegen die Zensur in der DDR das Buch „Horns Ende“ von Christoph Hein ohne Genehmigung drucken lassen, erledigt sich mit einem Blick in die Erstausgabe. Das Impressum zeigt die Nummer 301 der Lizenz des Verlages und nachfolgend die Nummer der Druckgenehmigung: 120/4/85. Die Genehmigung wurde am 18.12.1984 von Faber beantragt, am 25.2.1985 von Herrn Höpcke erteilt und am 26.2.1985 ausgefertigt.

Faber hat aber gern noch listiger als Odysseus die offene Lüge vermeidend nur die Wahrheit verschwiegen. Er schwieg nach der Wende über die auch von ihm selber „veranstalteten Plusauflagen“ mit denen wegen der Devisenknappheit der DDR viele Autoren aus dem „nicht sozialistischen Währungsgebiet“ um einen Teil ihres Honorars betrogen wurden und erzählte ein Märchen von seinem vergeblichen Widerstand. Er hätte diese Betrügereien wohl verhindern können, wenigstens beim Aufbau-Verlag. Das aber hätte, so sagte er, auch bedeutet, dass die Leser in der DDR noch weniger Zugang zu westlicher Literatur gehabt hätten und das wollte er nicht und damit entschuldigte er diese kriminelle Praxis.

Zu seiner vielleicht wichtigsten und zugleich folgenreichsten Tat für den Aufbau-Verlag hat er ebenfalls geschwiegen und sich nur indirekt zur Wahrheit bekennen können:

Elmar Faber hat hauptverantwortlich dafür gesorgt, dass der Aufbau-Verlag und der Verlag Rütten & Loening nach der Wende von der Treuhandanstalt zu Unrecht als Volkseigentum, sprich als Staatseigentum, behandelt und verkauft wurden. Für beide Verlage mag das auch aus heutiger Sicht die einzige Chance gewesen sein im wiedervereinigten Deutschland zu überleben. Für mich aber auch für die Treuhandanstalt wurde das eine teure Angelegenheit. Sie hat sich von Elmar Faber täuschen lassen und war, als sie ihre Fehler erkannte, auch nicht bereit, die falsche Eigentumszuordnung des Aufbau-Verlages zu korrigieren. Die wiederum beendete nach erfolgreichen achtzehn Jahren meine Kariere als Verleger und kostete mich einen großen Teil meines Vermögens.

Den Aufbau-Verlag gibt es noch heute. Aber es war der Kulturbund, der am 9. Oktober 1951 vom Amt für Literatur und Verlagswesen der DDR die an dessen Stellung als Alleingesellschafter gebundene Lizenz mit der Nummer 301 zur Ausübung der verlegerischen Tätigkeit im Rahmen der Firma „Aufbau-Verlag“ erhielt. Diese Lizenz war bis zum Ende der DDR die Grundlage der Verlagstätigkeit und zugleich der unbestreitbare Beweis für das Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag.

Der Aufbau-Verlag war auf Wunsch des Kulturbunds seit dieser Zeit zusammen mit Verlagen anderer Organisationen und der SED vom Druckerei- und Verlagskontor, einer Firma der SED, wirtschaftlich angeleitet und verwaltet worden. Durch Beschluss des Politbüros wurde im Jahre 1963 das Druckerei- und Verlagskontor aufgelöst und die Verwaltung der dort betreuten Verlage einer neu gegründeten Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur übertragen.

Die jährliche Rechenschaftslegung des Aufbau-Verlages fand gegenüber dieser HV Verlage und dem Kulturbund statt. Die HV Verlage wiederum war gegenüber der Abteilung Finanzverwaltung und Parteibetriebe beim ZK der SED rechenschaftspflichtig. In den akribisch geführten Akten des Verlages, des ZK der SED, der Hauptverwaltung und des Kulturbunds sind alle Vorgänge und Entscheidungen in Programm-, Personal- und Organisationsfragen, der Produktion und Buchhaltung, der Bilanzierung und der Eigentumszuordnung lückenlos dokumentiert. Es gibt darin keinen Hinweis, dass der Kulturbund sein Eigentum am Aufbau-Verlag aufgegeben oder sonst irgendwie an die SED verloren hätte.

Zum 1. 4. 1964 waren die Verlage der DDR auf Beschluss des Politbüros der SED inhaltlich durch eine „Profilierung“ ihrer Programme auf abgegrenzte Tätigkeitsbereiche festgelegt und neu strukturiert worden. In der grundlegenden Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung des Beschlusses wurde prinzipiell festgelegt „die Eigentumsverhältnisse bleiben unverändert“. Der Kulturbund blieb weiterhin der Lizenzträger des Aufbau-Verlages.

Unter Beibehaltung der Eigentumsverhältnisse übernahm der Aufbau-Verlag auch die Weiterführung des belletristischen Programms des parteieigenen Verlages Rütten & Loening. Beide Verlage waren auch weiterhin rechtlich selbständig im Handelsregister C eingetragen und wurden gemeinsam von der HV Verlage betreut und überwacht. Ab 1970 bis zum Ende der DDR erhielt der Kulturbund aus den Gewinnen des Verlages nach Steuern aufgrund einer Absprache mit dem Ministerium der Finanzen und der SED jährlich pauschal 1.690.000,- M DDR, der restliche Nettogewinn ging als Anteil für Rütten & Loening an die SED.

Spätestens am Jahresende 1989 war das Schicksal der DDR und auch das ihrer festgefügten Verlagsstruktur besiegelt.

Der Kulturbund der DDR, dessen Haushalt zu über 80% von staatlichen Zuweisungen abhing, hatte seit Jahrzehnten seinen Verlag nicht mehr selbst verwaltet und würde in kürzester Zeit fast vermögenslos sein. Damit war er nach Elmar Fabers durchaus nachvollziehbarer Ansicht völlig unfähig, künftig selber die Geschäfte des Verlages anzuleiten und das Kapital dafür bereitzustellen. Am 28. November 1989 trat der Präsident und der gesamte Präsidialrat des Kulturbunds zurück. Bis zu einem späteren Bundeskongress war die Organisation somit weitgehend handlungs- und beschlussunfähig.  Gemeinsam mit Herrn Klaus Höpcke, dem Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur beschloss Elmar Faber den Aufbau-Verlag als Eigentum der SED zu deklarieren und von der Partei in Volkseigentum „überführen“ zu lassen.

Dem Bundessekretär des Kulturbunds Karl-Heinz Schulmeister erklärte er, dass der Kulturbund schon lange nicht mehr der wirkliche Eigentümer des Aufbau-Verlages gewesen sei. Durch die schon 1955 erfolgte Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft sei der Verlag Volkseigentum geworden. Ab sofort werde er auch die in der Satzung des Kulturbunds bestimmte Mitgliedschaft des Direktors des Aufbau-Verlages im Präsidialrat des Kulturbundes beenden.

In den Wirren der Wendezeit konnte der unter großer Finanznot und extremem Stellenabbau leidende Kulturbund diese Behauptungen nicht überprüfen. Tatsächlich waren in den 50er Jahren die vom Druckerei- und Verlagskontor verwalteten Verlage im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen worden, weil sie die gleichen Vorteile und Rechte haben sollten wie die volkseigenen Betriebe. Wie inzwischen eindeutig geklärt ist, blieben sie aber weiterhin als organisationseigene Betriebe das Eigentum der jeweiligen Organisation.

Anfang 1990 aber hielt die Leitung des Kulturbunds die von Elmar Faber behauptete Übertragung des Aufbau-Verlages in Volkseigentum durch bloße Registereintragung für wirksam und beantragte schließlich beim Vermögensamt die Restitution des Aufbau-Verlages und seiner Grundstücke oder wenigstens eine Entschädigung.

Mit der Täuschung des Kulturbunds war Elmar Faber der erste Schritt gelungen. Die staatlichen Behörden würden allerdings die gegenüber dem Kulturbund erfolgreiche Behauptung, der Verlag sei durch die Eintragung in das Register der volkseigenen Wirtschaft selbst volkseigen geworden, sofort als falsch erkennen.

Dagegen war es viel glaubhafter und vor allem schwieriger nachzuprüfen, wenn die SED, der die meisten nicht-staatlichen Verlage in der DDR gehörten und der damals alles zugetraut wurde, behauptete, dass sie auch Eigentümerin des Aufbau-Verlages sei und ihn nun – ganz selbstlos – zusammen mit anderen Verlagen der Partei in Volkseigentum übergebe.

Das hatte noch einen weiteren Vorteil, denn Elmar Faber ahnte, was der freie kapitalistische Buchmarkt vor allem verlangen würde: möglichst viel Kapital, das der Aufbau-Verlag oder der Kulturbund nicht hatte, wohl aber die SED. Die Parteispitze beriet damals schon darüber, ein paar hundert Millionen Mark aus ihren Bargeldguthaben an das Ministerium für Kultur zu überweisen und von dort an kulturelle Institutionen in der DDR verteilen zu lassen. Für den angeblich bald volkseigenen Aufbau-Verlag waren davon 9,6 Millionen Mark vorgesehen.

Am 9. Januar 1990 übermittelte Faber dem neuen Minister für Kultur Herrn Dr. Keller persönlich die von ihm schon im November im Verlegerausschuss des Börsenvereins vorgestellten „Thesen zur Veränderung der Verlagspolitik“, in denen er utopische Forderungen nach verlegerischer und wirtschaftlicher Autonomie für die Verlage der DDR aufstellte, die am besten natürlich durch volkseigene Verlage erreicht werden könnte.

Am 10. Januar 1990 erhielt der Parteivorstand der SED/PDS ein Schreiben des Ministers mit der Ankündigung dass die Verwaltung der parteieigenen Verlage durch die HV Verlage sofort beendet wird.

Klaus Höpke, Mitglied des Parteivorstands der SED/PDS und ehemaliger Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel und stellvertretender Minister für Kultur der DDR, formulierte für das Präsidium des Parteivorstandes am selben Tag eine Vorlage zur Behandlung der partei- und organisationseigenen Verlage. Die darin enthaltenen Angaben über die Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag, dass er 1945 mit Kapital der KPD gegründet wurde, der Kulturbund später lediglich als Eigentümer des Verlages „deklariert“ worden sei und ab der Profilierung der Aufbau-Verlag nicht mehr als Kulturbund-Verlag „firmierte“ sondern Eigentum der SED war, sind grob falsch und irreführend, aber täuschten auch das Präsidium der SED/PDS.

Am 13. Januar schrieb Klaus Höpke an Elmar Faber und dankte für die Übersendung der „Thesen“. Die SED/PDS fühle sich direkt angesprochen und habe „konkrete Schritte getan mit dem Ziel, eine bestimmte Anzahl (der Verlage) in Volkseigentum zu überführen.“

Am 17. Januar richtete Elmar Faber ein aufschlussreiches Schreiben an Klaus Höpke aus dem hervorgeht dass tatsächlich die Entscheidung zum Aufbau-Verlag schon längst getroffen war.

Er schrieb in seiner unnachahmlichen Diktion: „Aufbau ist ja ohnehin klar dass es in Volkseigentum übergeht“. Die Ausführungen zum Verlag Rütten und Loening, dessen Eigentumsentwicklung noch unsicher war, sind etwas gewundener, aber in ihrer Bedeutung ebenso klar: Wenn auch Rütten & Loening nicht zum Eigentum der SED gehört „so müsste auch für Rütten & Loening auf Überführung in Volkseigentum orientiert werden.“ Das Wort „auch“ kann sich hier nur auf den Aufbau-Verlag beziehen, woraus sich ergibt, dass er in Volkseigentum übergehen soll, obwohl er gerade nicht Eigentum der SED ist.

Eigentum Aufbau, R&L Anfang 1990

Am 22. Januar 1990 kam es zur Beratung in den Räumen des Parteivorstands der SED/PDS. Teilnehmer an diesem für den Aufbau-Verlag schicksalhaften Treffen waren:

Dr. Gerd Pelikan, Leiter der Arbeitsgruppe zur Sicherung des Parteivermögens der SED/PDS.

Arno Lange, langjähriger Sekretär der Abteilung Kultur im ZK der SED, dort zuständig für den Aufbau-Verlag.

Dieter Lange, ehemaliger Hauptbuchhalter des Aufbau-Verlages und seit einigen Jahren Hauptabteilungsleiter im Ministerium für Kultur, dort zuständig für den Aufbau-Verlag.

Peter Dempewolf, Direktor für Ökonomie im Aufbau-Verlag

Elmar Faber, Verlagsleiter des Aufbau-Verlages und des Verlages Rütten & Loening.

Diese kleine Gruppe zuverlässiger Genossen, die sich seit vielen Jahren bestens kannten und aus eigener täglicher Arbeit sehr genau wussten dass der Kulturbund seit Jahrzehnten alleiniger Eigentümer des Aufbau-Verlages war, beschloss an diesem Tag – ohne den Kulturbund auch nur zu erwähnen – „die bisher im Eigentum der SED/PDS befindlichen Verlage Rütten & Loening und Aufbau-Verlag werden rückwirkend ab 1.1.1990 in Volkseigentum überführt“.

Am 29. Januar berichtete der Parteivorsitzende Gregor Gysi dem neuen Minister für Kultur von diesem Beschluss und bat um Zustimmung.

Das daraufhin von Dieter Lange im Ministerium verfasste Übergabe / Übernahmeprotokoll sah die Überführung der Verlage „ohne Werterstattung“ vor und wurde gemeinsam von ihm und Elmar Faber am 14.3.1990 unterzeichnet und an den Parteivorstand der PDS geschickt. Weil der Beschluss des Parteivorstands aber nur den Verkauf in Volkseigentum genehmigte, ergänzte Herr Dr. Gerd Pelikan das Dokument auf der Rückseite durch eine Zusatzerklärung mit der die PDS einen Kaufpreis zum Bilanzwert von 16.987.000 Mark fordert, wenn der Verlag weiterverkauft wird. Er unterzeichnete erst am 2.4.1990 und übersandte das Dokument an Dieter Lange im Ministerium für Kultur.

Am 11. 4. 1990 schrieb das Ministerium für Kultur an Elmar Faber dass auf Vorschlag der SED insgesamt 9,6 Millionen Mark als Fördermittel an den Aufbau-Verlag überwiesen wurden.

Dieter Lange schickte das unterzeichnete Übergabeprotokoll am 18.4.1990 an Elmar Faber mit der Anmerkung dass die Zusatzerklärung mit der Kaufpreisforderung „nicht vom Ministerium für Kultur als bindend angesehen wird.“

Elmar Faber wartete auf den Stichtag der gesetzlichen Umwandlung aller volkseigenen Betriebe am 1.7.1990 und meldete danach unter Hinweis auf die Übergabe in Volkseigentum den Aufbau-Verlag, den Verlag Rütten & Loening und sogar noch einen „Aufbau-Taschenbuchverlag“ bei der Treuhandanstalt als ehemals volkseigene Unternehmen an, die nun als GmbH im Aufbau Eigentum der Treuhandanstalt seien und reichte die entsprechenden Unterlagen ein.

Im Handelsregister B wurde auf Antrag von Elmar Faber im November 1990 eingetragen: Aufbau-Verlag GmbH im Aufbau, entstanden nach dem Treuhandgesetz durch Umwandlung des „Aufbau-Verlag Berlin und Weimar“. Der für volkseigene Betriebe gesetzlich zwingend vorgeschriebene Zusatz VEB fehlt in dieser Eintragung, ebenso auch vorher im Register der volkseigenen Wirtschaft.

Die Treuhandanstalt schickte die üblichen Formulare, registrierte die Verlage als ihr Eigentum und fasste erste Gesellschafterbeschlüsse.

Elmar Fabers Plan war gelungen. Für ihn war, gemessen am SED Partei- und Staatsapparat der geliebten DDR, die nach seinen Worten nur „durch die Dämlichkeit einer ungebildeten Herrschaftsclique“ „aus der Vollendung einer Utopie“ herausgerissen wurde, die Treuhandanstalt ein noch „dämlicherer“ Gegner. Offensichtlich kam in den Behörden niemand auf die Idee, dass ein Betriebsleiter mit Hilfe einiger SED Genossen in wichtiger Funktion das von ihm geleitete Unternehmen durch falsche Angaben eigenmächtig zum Volkseigentum erklären könnte.

Elmar Faber wollte, dass der Aufbau-Verlag nach der Wende nicht dem fast mittellosen Kulturbund gehörte, sondern der mächtigen Treuhandanstalt. Ihr gegenüber verstand er es meisterhaft mit der kulturellen Substanz und den prominenten Autoren zu argumentieren. Selbst Herr Dr. Rohwedder nahm den Aufbau-Verlag wahr. Nach ein paar Monaten hatte die Treuhandanstalt bereits hohe Gesellschafterdarlehen an den Verlag ausgereicht, bis zur Verkauf waren es dann insgesamt 8,2 Millionen DM.

Im Herbst 1990 meldete der Kulturbund seine Eigentumsansprüche auf den Aufbau-Verlag bei der Treuhandanstalt und dem Amt für offene Vermögensfragen an. Mehrmals schrieb der anwaltliche Vertreter des Kulturbunds an die Treuhandanstalt, dass der Kulturbund sein Eigentumsrechte am Aufbau-Verlag belegen könne. Die Treuhandanstalt lehnt es ab, sich mit diesem Thema zu befassen und erklärte, die Treuhandanstalt müsse „sich auf den Standpunkt stellen, dass die Übergabe des Aufbau-Verlages in Volkseigentum rechtens sei“. Als im Frühjahr 1991 das Direktorat Sondervermögen und das Sekretariat der Unabhängigen Kommission intern die ersten Zweifel am Eigentumsstatus des Verlages anmeldeten und der Kulturbund noch immer der Behauptung widersprach, dass der Aufbau-Verlag Eigentum der SED gewesen sei, wurden sie vom Direktorat Privatisierung ignoriert. Die zur Privatisierung abgeschlossenen Kaufverträge wurden zwar von der Unabhängigen Kommission noch unter den Vorbehalt ihrer Zustimmung gestellt und diese Zustimmung von der Treuhandanstalt auch beantragt, aber dann überging der Vorstand der Treuhandanstalt das Zustimmungserfordernis. Die Treuhand wartete noch die Reaktion der Käufer zu den Plusauflagen ab. Nachdem ich als Vertreter der Käufer erklärt hatte, dass der Verlag auch nach der Durchsuchung weitergeführt wird, den Kaufpreis zahlte und wegen der Plusauflagen nur an den guten Willen der Treuhandanstalt appellierte, ging die Genehmigungserklärung des Vorstands an den Notar.

Mit der Privatisierung des Verlages schien für Faber das Ziel erreicht. Er hatte einen branchenfremden Gesellschafter, der ihn als Verlagsleiter dringend brauchen würde, so dass sogar der Erwerb eines kleinen Gesellschaftsanteils für ihn möglich war. Im Vertrauen auf die Treuhandanstalt würden die Käufer die Eigentumsverhältnisse des Verlages niemals bezweifeln. Die Zukunft des Aufbau-Verlages schien gesichert als am 4. Oktober 1991 das Rücktrittsrecht der Käufer erlosch und am 7. Oktober 1991 der Tag der Übergabe des Verlages an die Käufer gekommen war.

An diesem Tag kam auch die Staatsanwaltschaft mit 20 Polizisten und durchsuchte die Räume des Aufbau-Verlages und die Wohnung Elmar Fabers wegen des Verdachts auf fortgesetzten Lizenzbetrug durch die Plusauflagen.

Schon am 20./21. August 1991 hatte die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zum SED Vermögen auf Antrag der Unabhängige Kommission und der Treuhandanstalt Sondervermögen bei einer Durchsuchung im Büro von Dr. Gerd Pelikan ein Schreiben des Genossen Dieter Lange vom 21./23. Dezember 1989 an den Genossen Klaus Höpke gefunden, in dem die Praxis der Plusauflagen dargelegt worden war. Der Genosse Arno Lange in der Kulturabteilung des ZK erhielt eine Kopie dieses Schreibens. Die für den Aufbau-Verlag zuständigen Mitarbeiter in den übergeordneten Verwaltungsstellen – ZK und Ministerium – gehörten beide auch zu den Teilnehmern der Beratung über den Beschluss zur Übertragung des Aufbau-Verlags aus dem SED Vermögen in Volkseigentum.

2.10.91VermerkPolizeiwgPlusauflagen

Im Herbst 1992 übergab die PDS die vollständige Liste aller ehemaligen und aktuellen Unternehmen der SED an das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV). Zum Inhalt dieser Liste hatten die Treuhandanstalt und die Unabhängige Kommission ihr Einvernehmen erteilt. Sie enthielt nicht den Aufbau-Verlag.

Das Sekretariat der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR war eine Abteilung des Bundesministeriums des Inneren. Herr Hingst aus ihrem Referat PV2 ermittelte zu dem unter treuhänderischer Verwaltung stehenden Vermögen der SED. Am 14. Dezember 1992 erklärte ihm Arno Lange der inzwischen als Archivar bei der Zentrag arbeitete, dass der Aufbau-Verlag kein Parteibetrieb gewesen sei und die SED/PDS sich nur als Eigentümerin geriert habe.

Am 10. Februar 1993 wurde Arno Lange erneut befragt und bestätigte dass der Aufbau-Verlag ein organisationseigener Betrieb des Kulturbunds gewesen war. Zum Beweis legte er ein Dokument vor, das später aus den Akten entfernt wurde.

Vermerk zur Aussage Arno Lange

Am 30. März 1994 verfasste Arno Lange für den von der Treuhandanstalt eingesetzten Geschäftsführer der SED-Holding Zentrag einen Vermerk, in dem er detailliert darlegte, dass der Aufbau-Verlag ab seiner Gründung im Jahre 1945 durchgehend Eigentum des Kulturbunds war bis er im März 1990 durch das von Dieter Lange, Elmar Faber und Herrn Dr. Pelikan unterzeichnete Übernahme / Übergabeprotokoll in Volkseigentum übergeben wurde.

Bei der Beratung und dem Beschluss vom 26. Januar 1990 zur Übergabe des Aufbau-Verlages in Volkseigentum war Arno Lange wie dargelegt persönlich anwesend. Die Grundlage des Beschlusses war, dass die SED/PDS als Eigentümerin über den Aufbau-Verlag verfügt. Gegenüber der Unabhängigen Kommission hat Arno Lange bestätigt, dass sich die SED/PDS nur als Eigentümerin geriert hat. Irgendeine andere Berechtigung der SED/PDS zur Verfügung über das Eigentum am Aufbau-Verlag nennt Arno Lange nicht.

20 Jahre später, am 15. Oktober 2018, gab Klaus Höpcke, der ehemalige stellvertretende Minister und Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur der DDR eine Eidesstattliche Erklärung ab, in der er die Ereignisse um den Aufbau-Verlag in der Wendezeit ausführlich darlegt und bestätigt, dass die vermeintliche Übergabe des Aufbau-Verlages in Volkseigentum im Frühjahr 1990 von Anfang an unwirksam war weil die SED/PDS nie Eigentumsrechte am Aufbau-Verlag hatte.

Herr Höpcke erklärte an Eides statt, dass er in der gemeinsamen Absicht, die Verfügungsmacht der SED über den Aufbau-Verlag des Kulturbunds vorzutäuschen, gemeinsam mit Elmar Faber und anderen Beteiligten im Ministerium für Kultur der DDR und der SED/PDS den Verlag wider besseres Wissen als Eigentum der SED deklariert hatte.

NotarielleUrkundeEVKlausHöpcke

In seiner 2014 im Aufbau-Verlag erschienen Autobiographie „Verloren im Paradies“ fabuliert Elmar Faber in ermüdenden Längen und verquaster Sprache über seine Leistungen als Verleger in der DDR und die Ungerechtigkeiten der Nach-Wendezeit. Die Hauptverwaltung Verlage war aufgelöst, die Verwaltung beendet. Die Treuhandanstalt war (noch) handlungsunfähig. Das war Fabers Paradies. Ausgestattet mit ausreichendem Kapital und befreit von jeder Kontrolle führte er den Verlag jetzt wie ein Eigentümer und lehnte für ihn unpassende Kaufinteressenten ab. Seine ständigen früheren Behauptungen, dass die SED in der DDR die Eigentümerin des Aufbau-Verlags gewesen sei, wiederholt er in diesem Buch nicht, sondern schweigt zu diesem interessanten Thema. Er erzählt deshalb auch nicht, wie und wann die SED angeblich das Eigentum am Aufbau-Verlag erwarb und wer wann und wie ihm diese erstaunliche und gewiss überraschende Neuigkeit verkündet oder gar durch echte Dokumente bewiesen hat, denn immerhin galt seit 1945 der Kulturbund als Eigentümer des Aufbau-Verlages.

Selbst zu der für den Verlag so entscheidenden Übergabe in Volkseigentum, die Voraussetzung für die Umwandlung in eine GmbH der Treuhandanstalt, die er ja selbst maßgeblich betrieben und an der er als Unterzeichner des Protokolls beteiligt war, verliert er kein Wort. Nur ganz nebenbei erwähnt er auf Seite 231 den Präsidialrat des Kulturbunds, dem er „als Aufbau-Chef angehörte, weil der Verlag dieser Organisation zugehörig war“ und bekennt damit, wenn auch nur indirekt, wer damals tatsächlich Eigentümer des Aufbau-Verlages war.

In seiner verquasten Sprache wiederholt er dann auf Seite 363 diese Lüge, die auch gern von der Treuhandanstalt verbreitet wird: „Lunkewitz hat für die Öffentlichkeit von sich ein Bild zu entwerfen gewußt, als wäre er in der Privatisierungsphase arglistig getäuscht worden (was nach vieler, auch meiner Meinung nicht stimmte) und als sei er der große Verlierer, der in den Verlag Millionen investieren musste.“

im Jahre 2007 erhielt Elmar Faber das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Er hatte sich besonders aus der Sicht des Finanzministers um die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht.