Faber verloren im Paradies

Buchbesprechung:

VERLOREN IM PARADIES“, Ein Verlegerleben

Aufbau-Verlag 2014

Elmar Faber, von 1984 bis 1992 Verlagsleiter des Aufbau-Verlages, hat ein Buch geschrieben, in dem er die schönen Zeiten des Büchermachens in der DDR, als der Aufbau-Verlag noch ein berühmtes „Literaturinstitut“ war, ausführlich und larmoyant beschreibt. Es ist ein sehr nostalgisches Buch: wie schön war doch die Arbeit mit Autoren in der DDR, wie wunderbar die Qualität der Bücher. Es wimmelt vor Autorennamen, ja man hat den Eindruck, dass er fürchtet, vielleicht gewichtige Namen vergessen zu haben und nennt sie gleich mehrfach.

Es sei dem alten Mann gegönnt, den Gipfeln seiner Lebenstätigkeit nachzutrauern und zurückschauend die Vergangenheit und vor allem sich selbst zu loben. Aber mehr Genauigkeit und Ehrlichkeit hätte er doch aufbringen müssen oder sich eines anderen Lektors bedienen sollen als den inzwischen gefeuerten, sich gern „verlegerisch“ nennenden, Geschäftsführer des Verlages. Deshalb fügt sich dieses Buch wahrlich nicht, wie vom Verlag anmaßend behauptet, in die Reihe der Memoiren von Hans Mayer bis Marcel Reich-Ranicki. Damit meine ich nicht die verklärende Nostalgie, die bei vielen in der DDR erfolgreichen aber später abgewickelten Funktionären dieser Generation nur zu verständlich ist. Aber die Bitterkeit und Häme, die er über die endlich wieder vereinte Nation und unsere heutige Gesellschaft ausgießt, ist doch erschreckend.

Da tritt eine verlorene, eine enttäuschte und besiegte Generation ab, die aus der Diktatur des Dritten Reiches in die Unfreiheit der DDR gefallen war und dort ihr Leben gestaltete, vorübergehend Position und ein bisschen Bedeutung hatte und wieder verlor, und deshalb den Zusammenbruch dieses Systems nie verkraften konnte. Die verbitterten Mitglieder dieser Generation weisen jedem und allen die Schuld an ihrem Scheitern zu, nur nicht sich selber. Sie behaupten, das Geld zu verachten, zetern aber am lautesten, dass die Wende ihnen alles genommen habe und die „anderen“ reich oder jedenfalls reicher seien.

Der Neid und die Missgunst, von jeher ein allgemeiner deutscher Charakterzug, sind bei ihnen besonders ausgeprägt, ebenso die Überheblichkeit und der Dünkel, denn sie halten sich für besser als alle anderen und schauen aus imaginären Höhen auf sie herab. Die Diktatur der SED hat in der DDR vor allem die Lüge kultiviert und das Leugnen der tatsächlichen Verhältnisse überlebenswichtig gemacht, so dass sie für manchen, so auch für Elmar Faber, zur alltäglichen zweiten Natur wurde, die ihm den Aufstieg in diesem verlogenen System ermöglichte.

Wenn man den Wahrheitsgehalt des ganzen Buches an dem des Kapital 25 misst, ist es damit nicht weit her und noch weniger mit der bei Memoiren unvermeidlichen Dichtung, denn auch die beruht auf – innerer – Wahrheit.

Es geht dort um die „Plusauflagen“, also den Betrug gegenüber den eigenen Autoren durch nicht vereinbarte und erst recht nicht bezahlte Druckauflagen, ein Thema, das für die Verlagsbranche immer brisant ist, denn es soll ja selbst schon in besten Häusern vorgekommen sein, dass die Abrechnung gegenüber den Autoren nicht ganz korrekt war.

Aber was in der DDR passierte, ist eine Dimension an systematischem Betrug, die es bis dahin und seither im Verlagsgeschäft nicht gegeben hat. Die von Faber an den Haaren herbeigezogenen, offenen, gerade nicht durch Betrug gekennzeichneten Kämpfe, die der unbeugsame Walter Janka in den 50ger Jahren mit westdeutschen Verlegern über Lizenzvergaben auszufechten hatte, oder angebliche Lizenzverstöße westdeutscher Verlage, erst recht das Verhalten der russischen Verlage, die den Urheberrechtsabkommen gar nicht beigetreten waren, entschuldigen das alles nicht, sondern lassen es noch erbärmlicher erscheinen. Als ich 1992 mit Janka über dieses Thema sprach, schüttelte er sich vor Ekel.

Elmar Faber kostümiert sich in diesem Buch als tapferer Ritter von der traurigen Gestalt, der, als er sofort nach seinem Dienstantritt im Aufbau-Verlag im Jahre 1983 mit angeblichen Erstaunen hört, welche Niedertracht des Lizenzbetruges an fremden Verlagen und eigenen Autoren im Staate DDR möglich war, zwar den systematischen Lizenzbetrug jahrelang selbst weiterführte, aber angeblich doch den Kampf gegen diese bösen Machenschaften aufnahm, nur leider, leider in den sieben Jahren bis zur Wende nichts erreichen konnte, als die Ausarbeitung eines „Papiers“, das er Anfang 1988 zusammen mit seinem Knappen Jürgen Gruner von Volk & Welt vorgelegt haben will (S. 223). Wem hat er es vorgelegt? Das erfahren wir nicht. Das „Papier“ soll dann nach der Wende Auslöser einer Polizeiaktion gegen den Aufbau-Verlag und den Verlag Volk& Welt geworden sein, weil es „irgendwo in den Parteiarchiven gefunden worden war“. Damit sei das Papier zu einer „Selbstanklage“ geworden, seine mutige Tat hätte sich damit gegen ihn gewendet. Oh, welche Ungerechtigkeit!

Die Wirklichkeit ist viel banaler. Es gibt ein solches „Papier“ nicht. Kein Original. Keine Kopie. Keine Akte. Kein Ort. Nirgends. Dieses „Papier“ ist ein „Papiertiger“, eine Lüge, die zur Minderung der eigenen Schuld erfunden wurde. Aber es gibt ein anderes „Papier“. Es stammt vom ehemaligen Direktor für Ökonomie des Aufbau-Verlages Dieter Lange, der 1984 als Mitarbeiter in das Ministeriums für Kultur der DDR gewechselt war, und ist an den Stellvertretenden Minister Höpke gerichtet. Darin beschreibt er trocken die seit den 60ger Jahren fortgeführte kriminelle Praxis („Im internationalen Sprachgebrauch: Raubdrucke!“) und nennt den Schaden: allein „im Zeitraum 1986 bis 1989 waren das durchschnittlich rd. 1 Mio. DM jährlich“.

Dieses Schreiben war es, das am 20./21.08.1991 bei einer Hausdurchsuchung in den Räumen der PDS gefunden wurde und den Anfangsverdacht lieferte für das Ermittlungsverfahren gegen Elmar Faber u.a. wegen „Verdacht des Betruges in Tateinheit mit Vergehen nach dem Urheberrechtsgesetz (Paragraph 106, 106a, 109) im Fortsetzungszusammenhang.“

Der Vermerk der Polizei vom 2.10.1991 über die vorläufigen Ergebnisse der Ermittlungen ist auf der Website prozessbeobachter.net in dem Verfahren Aufbau vs. BVS als Anlage K 74 des Klägers einsehbar.

Aus dem Schluss dieses Vermerks geht aber auch hervor, dass der Vorstand der Treuhandanstalt über seine „Stabstelle für besondere Aufgaben“ und deren Leiter, Herr Dr. Hans Richter, von Anfang an in die Ermittlungen einbezogen war und von dem Umfang des Schadens – bis zu 30 Millionen DM – wusste, aber diese Kenntnis noch über den Abschluss der Kaufverträge hinaus gegenüber den Käufern verheimlichte, weil er die Käufer – groteskerweise – für Komplizen von Herrn Faber hielt.

Das vorsätzliche Verschweigen eines solch gravierenden Mangels der Kaufsache ist aber ebenfalls Betrug, oder zivilrechtlich eine „arglistige Täuschung“, die den Käufer zur Anfechtung des Vertrages berechtigt.

Gar nicht mehr zu bezweifeln ist nach den eigenen Erzählungen Elmar Fabers in diesem Buch, dass er die Praxis der Plusauflagen als Verlagsleiter selbst verantwortet und diesen systematischen Betrug und die daraus entstandenen Verbindlichkeiten nach der Wende verschwiegen hat. Selbst als die Existenz von Plusauflagen – allerdings ohne irgendwelche Zahlenangaben – nach der Durchsuchung des Verlages bekannt wurde, hatte er mir gegenüber, der ich die konkreten Abläufe nicht kennen konnte, die persönliche Beteiligung bestritten und den potentiellen Schaden mit nur wenigen zehntausend DM angegeben, weshalb ich in der Bilanz 1991 eine Rückstellung in Höhe von 100.000 DM vorsah. Erst nachdem ich eine genaue Untersuchung angeordnet hatte, stellte ich im Frühsommer 1992 fest, dass die Schadenssumme 8 Millionen DM überstieg.

Der Aufbau-Verlag hatte das „Glück“ gehabt, dass die zuständigen Betrüger in der Treuhandanstalt in den Kaufvertragsverhandlungen die Ermittlungen zu den Plusauflagen gegenüber mir und den anderen Käufern verheimlicht hatten. Diese Ermittlungen waren seit August 1991 von ihrer „Stabsstelle für besondere Aufgaben“ und der Staatsanwaltschaft Berlin in gegenseitiger Amtshilfe verdeckt durchgeführt wurden. Am Freitag, den 4.10.1991 war das Rücktrittsrecht der Käufer abgelaufen. Erst am Montag, den 7.10.1991 kamen die Durchsuchung des Verlages und wurde der Vorwurf der Plusauflagen bekannt, allerdings noch von Faber verharmlost.

Wären die Plusauflagen und ihre Dimension auch nur einige Tage früher bekannt geworden, hätten die Käufer ihr Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag nutzen können. Der Aufbau-Verlag wäre in diesem Fall wegen der zusätzlichen Belastung von mehr als 8 Millionen und wegen des katastrophalen Ansehensverlustes unverkäuflich gewesen, zumal er zu dieser Zeit monatliche Verluste von durchschnittlich 500.000 DM machte. Die Treuhandanstalt hätte dann zweifellos den Verlag, wie viele andere Unternehmen der DDR, plattmachen „müssen“. Die Treuhand stritt wahrheitswidrig mir gegenüber die vorvertragliche Kenntnis der Plusauflagen ab und berief sich auf den im Kaufvertrag vereinbarten Ausschluss jeglicher Gewährleistung für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verlages. Entschieden lehnte sie die Übernahme der Verbindlichkeiten aus den Plusauflagen ab. Ich war erst mal im Netz des Betruges gefangen. Damit hatte der Aufbau-Verlag aber auch das Glück, dass ich mich nun als sein verantwortlicher Verleger mit aller Kraft für ihn einsetzte.

Dies bringt mich jetzt zum Kapitel 38, das sich ab S. 356 mit mir beschäftigt. Die hämischen Zeichnungen meines Charakters lasse ich unkommentiert, solche Dinge sagen selber mehr über den Erzähler als über den, der damit diffamiert werden soll. Nur eine Anmerkung: fast amüsant ist es, wenn er mir jegliches literarische Verständnis abspricht und mich als ferngesteuert von meiner „jungen schönen Frau“ hinstellt. Welche triebhaft untergründigen Ängste doch manche verklemmten Spießer vor „jungen schönen Frauen“ haben und wie sie überhaupt Frauen gleichzeitig begehren und verachten, ist hier gut zu sehen.

Noch eine Behauptung muss ich zurückweisen. In indirekter Lüge behauptet Faber über mich: „Nach eigenem Zeugnis hatte er seine erste Million an seinem Dienstherren vorbei erwirtschaftet“ (S. 357) und in direkter Lüge gleich danach: wohlhabend sei ich geworden „unter Beihilfe des SPD-Politfilzes in Frankfurt am Main“ der mir „lukrative Immobiliengeschäfte zuschanzte“.

Im Klartext sollen diese Lügen wohl heißen: Lunkewitz hat einen ehemaligen Arbeitgeber betrogen und ist korrupt. Nun, Herr Faber schließt hier von sich auf andere. Nach seinen eigenen Angaben hat er den weltberühmten Verlag Faber & Faber im Jahre 1990 gegründet. Damals war er doch angestellter Verlagsdirektor beim Aufbau-Verlag? Wusste sein damaliger Dienstherr davon und hat er das genehmigt? Wer verschaffte ihm die Verlagsrechte? Aus welchen Mitteln, etwa des Aufbau-Verlages, wurde dieser Verlag finanziert und unter welchen Umständen wurden seine Bücher hergestellt, bezahlt und vertrieben? Dass er Mittel des Aufbau-Verlages abgezweigt hat, kann ich aber nicht behaupten, denn vielleicht hatte er ja im Gegensatz zu den meisten DDR-Bürgern genügend eigenes Kapital gespart.

Faber, in der DDR ein typischer roter Boss, der gar nichts von Marx´ Texten begriffen hat, stellt sich generell den Weg zum wirtschaftlichen Erfolg als Kriminalstück vor. Er ist der festen Überzeugung, dass man im Kapitalismus nur durch Betrug und Korruption reich werden kann. Vielleicht macht ihm diese spießige Vorstellung es leichter sein eigenes Lügen und Betrügen zu ertragen.

Als ich kurze Zeit nach dem Kauf zum ersten Mal mit seiner „Nebentätigkeit“ konfrontiert wurde, dachte ich wohl etwas zu großzügig, „man soll dem Ochsen, der da drischt das Maul nicht verbinden“ und genehmigte sie ab diesem Zeitpunkt. Aber es war ein erster Riss, denn solche Interessenskonflikte von Mitarbeitern sind auf Dauer nicht zu akzeptieren.

Als Faber während des Verkaufs der Verlage angeblich wegen der ominösen „Ich war nie bei der Stasi-Erklärung“, die er abgeben sollte, oder seiner anderen Behauptung nach wegen eines Buchtitels, der Frau Breuel angeblich verärgert haben soll, in Wirklichkeit aber wegen der Plusauflagen, von der Treuhandanstalt gefeuert wurde und ich vertraglich zusagen musste, ihn nicht erneut zum Geschäftsführer zu machen, hat das ihn verständlicherweise beunruhigt. Aber diese innere Unruhe „kollabierte wenige Tage später von selbst, als der Aufbau-Verlag in Privateigentum überging und ein Beschluss der neuen Gesellschaft meine bisherigen Kompetenzen bestätigte. Es gab nur einen Unterschied. Ich bekam mehr Geld.“ (S. 355) Die Treuhandanstalt hatte ihn zwar entlassen, aber versäumt, ihn als Geschäftsführer abzuberufen. Ich nahm schlicht die Entlassung zurück, das war nach dem Kaufvertrag möglich. Selbst dass ich ihn ein Jahr später selbst entließ und als Geschäftsführer abberief, kommentiert er noch so: „Ich erhielt eine Abfindung. Die stattliche Belohnung steckte ich ohne Zögern sofort in den eigenen Verlag Faber & Faber.“ (S. 377) Dass dieses Geld aus meinem Vermögen stammte und ich persönlich diese Beschlüsse gefasst hatte, statt ihn, wie es vielleicht doch richtig gewesen wäre, sofort als Betrüger mit Schimpf und Schande davonzujagen, übergeht Herr Faber hier ganz bewusst, denn aufrichtige Dankbarkeit ist nicht seine Sache.

Dagegen ist die Verleumdung seine besondere Stärke, denn auch mein Verhalten beim Verkauf der Grundstücke des Verlages rückt er in den Nähe des Betruges, diesmal zum Schaden der Treuhandanstalt. Er behauptet, die Treuhand habe die Grundstücke vom Verlag – nach seinem Verständnis „ungesetzlich“ – einfach abgespalten, aber dabei einen Fehler gemacht, der es mir ermöglicht hätte, sie dann „nach vier oder sechs Wochen“ für 1,- DM an meine Gesellschaft zu verkaufen, die sie dann für 9 Millionen an die Treuhand wieder zurück verkaufte. „Im Handumdrehen hatte er fünf Millionen gewonnen“ (S. 363)

Wie war es tatsächlich? Im Frühjahr 1990 hatte der Verlag vom Ministerium für Kultur 9,6 Millionen Mark der DDR als „Zuweisung“ aus dem Vermögen der SED erhalten, weitere 8,2 Millionen DM waren ab Herbst 1990 als von der Treuhandanstalt verbürgte Bankkredite verbraucht worden, trotzdem waren weitere drei Millionen DM aktuelle offene Verbindlichkeiten des Verlages aufgelaufen, darunter 800.000 DM gegenüber Gesellschaften der Treuhandanstalt (hauptsächlich Druckereien). Unter der Führung Fabers hatte der Aufbau-Verlag in seiner Geschäftstätigkeit vom 1.7.1990 bis zum Verkauf im September 1991 etwa 16 Millionen DM Liquiditätsverluste gemacht. Nach der Bilanz waren noch acht Millionen DM Eigenkapital aus der Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens vorhanden, allerdings war bereits damals klar, dass die Geschäftstätigkeit noch jahrelang verlustbringend sein würde, so dass noch mindestens 10 Millionen DM Kapital benötigt würden.

Vor dem Verkauf der Verlagsgesellschaften kaufte die Treuhandanstalt dem Aufbau-Verlag die Grundstücke für 8,2 Millionen DM ab, was als Sanierungsgewinn verbucht wurde und verrechnete den Kaufpreis mit ihren Gesellschafterdarlehen. Anschließend kauften die Investoren die Verlage für 1 Million DM und zahlten als neue Gesellschafter sofort 3 Millionen DM in die Kapitalrücklage zur Abdeckung der Verbindlichkeiten. Wenige Tage später platzte die Bombe der Plusauflagen. Als im Frühjahr 1992 die Höhe der daraus entstandenen zusätzlichen Verbindlichkeiten feststand, immerhin mehr als 8 Millionen DM, und gleichzeitig auch das Umlaufvermögen (hauptsächlich Buchbestände und Rechte) drastisch abgewertet werden musste, war der Verlag überschuldet und damit konkursreif. Die Treuhandanstalt lehnte zunächst alle Forderungen zur Nachverhandlung mit den Worten ab: „Wir verkaufen Chancen und Risiken, Sie haben ein Risiko gekauft, machen sie doch den Laden zu“.

Die von mir beauftragen Wirtschaftsprüfer des Verlages hatten bei der Aufstellung der Bilanz und Inventur festgestellt, dass unter der Leitung Fabers entgegen der üblichen und anerkannten Regeln des Verlagsgeschäfts die erworbenen Lizenzen und die Buchbestände des Verlags um mehr als 7 Millionen DM überhöht bewertet waren, was eine sofortige Wertberichtigung um diesen Betrag erforderte.

Erst als ich mit der Anfechtung der Kaufverträge und möglichem Konkurs drohte, zeigte sich die Treuhandanstalt verhandlungsbereit und schloss im Sommer mit dem Verlag eine bedingte Freistellungserklärung für die Forderungen der geschädigten Autoren und Verlage, nach der sich der Verlag aber mit allen juristischen Mitteln gegen die Ansprüche wehren und jeden einzelnen Schritt gegenüber der Treuhandanstalt rechtfertigen musste, wenn er nicht die Freistellung gefährden wollte.

Durch die in der Verantwortung auch Fabers entstandenen Verbindlichkeiten aus den Plusauflagen und der von ihm verantworte Geschäftstätigkeit und die falsche Bilanzierung der verdeckten realen Verluste aus der Produktion 1990/91 ergab sich im Frühsommer 1992 für den Verlag ein Fehlbetrag in Höhe von 15 Millionen DM, der mir vor dem Kauf der Verlagsgesellschaften verschwiegen wurde und der auch für mich vorher nicht erkennbar war. Ohne weitere Kapitaleinschüsse war der Konkurs unvermeidlich.

In dieser Not hatte ich nach „Chancen“ gesucht, die ja von der Treuhandanstalt auch verkauft wurden. Ich prüfte den Vertrag über den Verkauf der Grundstücke auf Lücken und fand dass der Notar für den Auflassungsanspruch der Treuhandanstalt keine Vormerkung ins Grundbuch hatte eintragen lassen. Das ermöglichte es, die Grundstücke, zwar nicht etwa nach „vier oder sechs Wochen“, sondern erst im Sommer 1992 erneut und zwar an eine meiner Gesellschaften verkaufen zu lassen. Aber nicht wie von Faber behauptet für 1,- DM, sondern für 20 Millionen DM, die ich vertraglich bereit war, dem Verlag dafür zu zahlen und ich leistete sofort eine Anzahlung in Höhe von 2 Millionen DM. Der Verlag bot der Treuhandanstalt an, aus dem erhöhten Kaufpreis die 8,2 Millionen DM Darlehen zurückzuzahlen.

Dazu kam es nicht. Am 24.11.1992 schloss die Treuhand, die insgeheim von einem Wert von über 30 Millionen DM für die Grundstücke ausging, einen Vergleich mit dem Aufbau-Verlag: nach dem die Wirtschaftsprüfer der Treuhand die korrigierten Bilanzen des Verlages geprüft und die Unterbilanz in Höhe von sieben Millionen DM bestätigt hatten, zahlte sie für das Grundstück weitere 9 Millionen DM an den Verlag und übernahm separat auch fast 6 Millionen der Verbindlichkeiten aus den Plusauflagen. „Nur“ zwei Millionen davon musste der Verlag selber tragen. Diese Lösung führte dann aber zu schnellen Vergleichen mit den Geschädigten, so dass wenigstens materiell die Affäre beendet war.

Die durch die Plusauflagen und die abenteuerliche Führung und Programmpolitik unter Faber entstandene Gefahr der Überschuldung um 15 Millionen DM und die deshalb drohende Insolvenz war damit abgewendet und ich konnte mich danach für eine kurze Zeit beinahe der Gerechtigkeit der faszinierenden Programmarbeit zuwenden, die ich mit der Vervollständigung der wichtigsten Werkausgaben des Aufbau-Verlages begann, weil ausgerechnet diese Stärke des Aufbau-Verlages von Faber überhaupt nicht beachtet worden war.

In dieser Zeit nach Faber wurden nicht nur die gerade erst gemeinsam mit Suhrkamp begonnene Große kommentierte Berliner und Frankfurter Brechtausgabe trotzt hoher Verluste für den Aufbau-Verlag fertig gestellt, sondern gleichzeitig die in der DDR fast nie komplett lieferbaren Werkausgaben von Dostojewski, Gogol, Fontane, Feuchtwanger, E.T.A. Hofmann, Kisch, Shakespeare, Schiller, Storm, Turgenjew und zahlreichen anderen bedeutenden Autoren endlich vollständig lieferbar gemacht, so dass der Verlag sie noch über Jahre verkaufen konnte, bis schließlich mit den Höhepunkten der Herausgabe der Tagebücher von Victor Klemperer, aber auch der „Päpstin“ von Donna Cross bei Rütten & Loening, ab 1995 der Wiederaufstieg des Aufbau-Verlages eingeleitet war.

Diese beiden Titel verkörpern idealtypisch, was ich für die Verlagsgruppe programmatisch wollte: anspruchsvolle Belletristik und Sachbücher auf dem Niveau der Weltliteratur bei Aufbau, ebenso besondere Unterhaltungsliteratur, bevorzugt historische Romane, bei Rütten & Loening und von beiden zusammen das Beste als Verwertung im Aufbau-Taschenbuchverlag. Das alles auf der Grundlage der Bewahrung unserer Verlagstradition und der besonderen Pflege der für das Programm und die Ausrichtung des Verlages wichtigen Autoren auch in Werkausgaben, wie sie in den Folgejahren z. B. mit der Großen Brandenburger Fontaneausgabe, der Werkausgabe von A. Seghers, A. Zweig oder Schiller immer wieder vorgelegt wurden.

Der von Faber stilisierte Grund für seine Entlassung, es habe eine Auseinandersetzung mit mir um die programmatische Ausrichtung der Verlage gegeben, ist seine Erfindung: das hehre Eintreten des honorigen Verlegers Faber für Aufbau als anspruchsvollen Autoren- und Programmverlag und Rütten & Loening als „buchkulinarische Spielwiese“ (S. 375) einerseits und andererseits die Beliebigkeit des Immobilienmaklers Lunkewitz der stattdessen aus den Verlagen „eine literarische Parfümfabrik“ (S. 360) des schnellen Geldes mit „Strandkorbliteratur“ (S. 359) machen wollte, diesen Streit hat es nicht gegeben, weil ich diesen verschrobenen Blödsinn Fabers noch nicht einmal ignoriert habe. Ich kenne keinen Verleger, der irgendwelche „Spielwiesen“ für Verlagsleiter finanziert, selbst wenn sie „buchkulinarisch“ sein sollten.

Mein Modell für Aufbau und Rütten & Loening war das bewährte Modell S. Fischer und Krüger, das ich seit langem bestens aus Frankfurt kannte und etwa so versuchte ich in den folgenden Jahren die Verlagsgruppe zu formen, dafür brauchte ich keinen Faber.

Er wurde endgültig zum Hindernis nicht nur wegen der unverzeihlichen Plusauflagen. Ich wollte den Verlag gründlich kennenlernen, aber Faber sah darin instinktiv und durchaus realistisch eine Gefahr für seine Stellung. Er schottete sich immer mehr ab und verwaltete eifersüchtig das vermeintliche Herrschaftswissen des Verlagsleiters. Anfang September 1992 legte ich ihm eine Kopie von Brechts berühmter Geschichte des Herrn Keuner „Vom unentbehrlichen Beamten“ auf den Tisch. Tage später war er gekündigt.

Der famose Herr Faber hinterließ mir den Verlag in Trümmern und mit 15 Millionen DM versteckten Verbindlichkeiten und der Schande der Plusauflagen. Außerdem war er hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die SED/PDS behauptet hatte, Eigentümerin der Verlage gewesen zu sein, was in der Folge zum Scheitern der Privatisierung führte weil die Käufer gar nicht Eigentümer der Verlage wurden obwohl sie Millionen dafür ausgegeben hatten. Mangels Eigentum der SED/PDS am Aufbau-Verlag war der nicht volkseigen geworden. Deshalb konnte die von der Treuhandanstalt verkaufte Aufbau-Verlag GmbH i. A. nicht durch eine Umwandlung nach dem Treuhandgesetz entstehen sondern war nur eine nicht existente Scheingesellschaft, die nicht identisch war mit dem Aufbau-Verlag des Kulturbunds.

Dieser famose Herr Faber, der nach der Wende immer wieder behauptet hat, dass in der DDR die SED, bzw. nach der Wende die Treuhandanstalt und nicht der Kulturbund rechtmäßiger Eigentümer des Aufbau-Verlages ist, berichtet jetzt so nebenbei auf Seite 231 in seinem Buch, dass der Aufbau-Verlag in der DDR doch „dem Kulturbund zugehörig“ gewesen sei.

Auf Seite 363 schreibt er trotzdem Lunkewitz hat bloß „ein Bild von sich zu entwerfen gewußt, als wäre er in der Privatisierungsphase arglistig getäuscht worden (was nach vieler, auch meiner Meinung nicht stimmte) und als sei er der große Verlierer, der in den Verlag Millionen investieren mußte.“

So weit hinten im Buch hat er die schon weiter vorn von ihm gestandenen Plusauflagen vergessen oder den Schaden von 8 Millionen für eine Kleinigkeit gehalten. Auch die arglistige Täuschung der Treuhandanstalt und in der Folge auch der Investoren ist ihm entfallen. Statt wahrheitsgemäß anzugeben, dass der Aufbau-Verlag in der DDR „dem Kulturbund zugehörig“ war, hat er fast zwanzig Jahre lang diese Tatsache geleugnet und statt dessen die SED als Eigentümerin bezeichnet. Er selbst hat 1990 wider besseres Wissen das Übergabe-/Übernahmeprotokoll unterzeichnet, mit dem die SED versuchte, den Verlag aus ihrem angeblichen Vermögen in Volkseigentum zu übertragen und dabei einen Kaufpreis in Höhe von 17 Millionen ergattern wollte.

Das Verschweigen der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse am Aufbau-Verlag, das Verhalten der Treuhandanstalt und anderer Behörden dazu und das unsägliche Vorgehen der Justiz, aber letztlich die Lügen und Verdrehungen Fabers, der von Anfang an wusste, dass der Kulturbund rechtmäßiger Eigentümer des Verlages war, waren ursächlich für das Scheitern der Privatisierung und die Insolvenz der vermögenslosen Aufbau-Verlagsgruppe GmbH im Jahre 2008 war.

Diese Insolvenz im Jahre 2008 betraf aber nicht den Verlag selbst, der bekanntlich als Einzelfirma oder OHG mir persönlich gehörte, weil ich ihn im Jahre 1995 vom Kulturbund wirksam erworben hatte, sondern nur die vermögenslose GmbH. Deshalb konnte ich den Verlag auch mit seinem gesamten Vermögen verkaufen, deshalb gibt es heute noch alle Arbeitsplätze und Autoren, sofern sie nicht seither aus anderen Gründen verloren wurden und vor allem gibt es noch das Ansehen das Aufbau-Verlages als einer der führenden belletristischen Verlage Deutschlands. Möge der neue Verleger es besser machen als ich.

Bernd F. Lunkewitz